■ Standbild: Pfefferoni-TV
100. Ausgabe von „Frontal“, Dienstag, 21 Uhr, ZDF
„Nicht klagen, lieber klotzen“, hieß die Devise auf dem Lerchenberg, als die 100. „Frontal“- Sendung nahte. Die zweiterfolgreichste Polit-Sendung der Republik (nach „Bonn direkt“) feierte vielleicht nicht zufällig am amerikanischen Unabhängigkeitstag. Wie die USA, so liebten es auch die Nachfolger der „Muppet“-Oldies Waldorf und Stadtler selbstbewußt: Laß es böllern und blitzen – Politik ist zwar ernst, aber nicht ganz hoffnungslos. So verfolgten Kienzle&Hauser gleich eine doppelte Doppelstrategie. Einerseits die Rettung des politischen Kabaretts (mit unter anderem dem Satiriker Stephan Reichenbach als Ghostwriter der Moderation) durch binnenplurale O-Töne, wie sie bei der ARD sogleich zum Ausblenden des Bayerischen Rundfunks geführt hätten (Gauweiler läßt sich zweimal wählen, bis das Ergebnis stimmt? Kienzle: „Stalinistische Verhältnisse bei der CSU“).
Andererseits sollte das selbstverpackte Geburtstagsgeschenk nicht gleich als pure Werbesendung erkennbar sein. Voll die Härte, Pfefferoni-TV sozusagen, sollten auch die Reportagen sein. Investigativ, das bewies die Rückblende, ist, wenn die Russenmafia die Autoscheibe einwirft, Baulöwe Schneider „seine Liebe zu ,Frontal‘ zum Verhängnis“ wird und Airbus nach der Sendung den Bordcomputer neu programmiert.
Jagdfreund Hauser und „Saddam“ Kienzle wagen den Frontalangriff mit einer als „undeutsch“ geltenden Tugend: Satire. Sie überholen „ZAK“ von (mit?) links, glossieren den Berliner Bankräuber-Tunnel als „Garzweiler III“: „Bergbau hat Zukunft – Innovationen, selbst gegen härtesten Widerstand durchgesetzt.“ Wo sich die klassischen, vor allem die ARD-Magazine, noch an Glaubenslagern orientieren, da findet „Frontal“ den Anschluß an die Neunziger. Gefragt ist nicht Moral, sondern Funktionstüchtigkeit – parteiübergreifend. Die Spottisen des Duos karikieren lebhaft die deutsche Lust am exemplarischen Rechthaben. Trotz sklerotischer Phrasen („Noch Fragen, Kienzle?“) gelingt ihnen dabei tatsächlich so etwas wie antiautoritäres Entertainment – natürlich sachbezogen. Daß ausgerechnet das tantige ZDF (früheres Motto: Lebenshilfe) diesen Workshop trägt, zeigt kommerziellen Flachmännern: Nicht die Quote, sondern vor allem das Angebot prägt ein Programm. Dieter Deul
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