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StandbildErfüllte Utopie

■ "Die erste Mondlandung"

„Die erste Mondlandung“, Samstag, 20.15 Uhr, B1

Prof. Koelle bemerkte bräsig – auf die angelegentliche Frage Ernst von Khuons an den Experten –, in den neunziger Jahren werde dann natürlich ein normaler Transportverkehr zum Mond eingesetzt haben, der neben Experten (wie Prof. Koelle und Ernst von Khuon) auch Normalbürger mitnähme.

Keine Spur davon. Nichts scheint gegenwärtig so vergangen wie der Traum von der Raumfahrt, und B1, dem ehemaligen Dritten Programm des SFB, verdanken wir die gründliche Belehrung darüber: Im Rahmen seines „Gernsehabends“ durften wir noch einmal der Landung der Amerikaner auf dem Mond beiwohnen, am 20. Juli 1969.

Damals hatte das Fernsehen noch kaum vom Hörfunk sich emanzipiert. Lange, lange Zeit sahen wir in einem Studio, dessen weltallmäßige Ausdehnung eine Ahnung der Dimensionen geben sollte, brave Herren mit ihren Knöpfen im Ohr Botschaften lauschen, denen Bilder nicht zu Hilfe kamen. Man mußte Herrn Büdeler, blaues Sakko, gelbes Telefon – Standbild – auslegen, der sich vor Ort befand, Mission Control in Houston, Texas, und als dann Bilder kamen, schwarzgrau – Armstrong pflanzt die amerikanische Flagge auf –, schauten sie aus wie animierte Kohlezeichnungen.

Anrührend wie bei Science- fiction-Filmen aus den fünfziger, sechziger Jahren: die Kleidung, die Frisuren. In fernster Zukunft kleidet man sich nach längst vergangener Mode – und ganz so schaute Ernst von Khuon aus, wenn er uns die gerade Linie erklärt, die von Jules Vernes Roman über die Reise zum Mond (1865) über Hermann Oberth (Nazi) und Wernher von Braun (Nazi – kein diesbezügliches Wort seitens Herrn von Khuons natürlich) zu der gegenwärtigen (1969) US-amerikanischen Errungenschaft führt. Das europäisch-patriotische Glück blieb ein stillschweigendes: Aber insofern Columbus, durften wir denken, die Amerikaner überhaupt erst ermöglicht hat, sind sie ohne uns – und Wernher von Braun – undenkbar.

Herr Brock, ein dicklicher, sehr ordentlich gescheitelter Fachpublizist, durfte samt einem Sportstudenten im Studio mittels einer Sperrholzkonstruktion des Mondbootes – „Simulation!“ – vorführen, wie Armstrong und Aldrin auf die Mondoberfläche krabbelten, und ich durfte mich gerührt daran erinnern, daß mich das alles mal sehr beschäftigt hat.

Ich las Bücher über Raketen und Planeten, und nichts scheint so tief vergangen wie dies.

Das Kino hat sich in dieser Hinsicht auf andere Stoffe geworfen. Armstrong und Aldrin hätten auf dem Mond mindestens dem außerirdischen Weisheitsblock Stanely Kubricks aus „2001“ begegnen müssen; oder einem ägyptischen Ritterheer – Däniken, „Stargate“ –, das sie von der Rückkehr abhält. In den Büchern, die ich damals las, wurde die ewig unsichtbare Rückseite des Mondes von wurmartigen, aber überaus intelligenten, ja witzigen Wesen besiedelt... Nichts interessiert irgendwen heute weniger; wer an Ufos glaubt, findet sie mit Hilfe von Zweitausendeins um die Ecke, gewiß nicht im Weltall.

Die Sendung von 1969 war von dem Pathos durchdrungen, daß sich mit dem Flug zum Mond ein Menschheitstraum erfülle. Keiner ist heute ferner: weil er eben damit erfüllt ward. Ein stiller, wenig beachteter Ausgang des Kolonialzeitalters. Nicht der Ölschock von 1973 setzte dem europäisch-amerikanischen Fortschrittsglauben ein Ende, sondern diese Aufgipfelung des Mondfluges, der zu gar nichts führte.

Aber noch ein Wort zum Fernsehen. Daß es – wie B1 an dieser Stelle, auch N3 mit seinen Sendungen der Tagesschau von vor zwanzig Jahren – erfüllen will, was auch das Programmkino verspricht, das Bildergedächtnis auszustaffieren, wollen wir ordentlich loben. Michael Rutschky

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