■ Standbild: Keine Tränen
„Schreinemakers live“, Donnerstag, 21 Uhr, Sat.1
Jörg Wontorra ist beim besten Willen keine Ersatz- Margarethe. So sehr ihm auch alle Männergruppen des Landes gewünscht haben mögen, ebenso wie die demnächst Gebärende durch ihre Sendung führen zu können, so heftig ging der frühere „Sportschau“-Moderator damit baden. Die Bälle lagen ja nur so zum Reinschieben auf dem Elfmeterpunkt – aber er hat kein Ding gelandet. Margarethe versteht es eben wie keine sonst, eine visuelle Bild-Zeitung zu machen.
Und dazu gehören Tränen, wenigstens Mitgefühl, zumindest aber ein Timbre, das alles verraten kann, nur nicht Ironie, also Distanz zu dem, was passiert. Geiseldrama, Kakerlaken im Bett, Ärger mit Teleshopping, Pestizide, Massage im Büro, Entführung in Costa Rica und die dazugehörige Entführte: Brennpunkte, die alle fürchten müssen.
Und Wontorra? Fragt brav („Ist es Schock, oder wie werten Sie es für sich“), hört steif zu („hmm, hmm“), doch von Rührung keine Spur. Nicht mal die Frau, die uns mit aufgequollenem Gesicht und wirrer Frisur die Geschichte erzählte, wie sie durch Insektengifte krank wurde und aus ihrem Job flog, konnte Wontorra dazu provozieren, mal, ja, väterlich seinen auf ihren Arm zu legen. Wenigstens ein Taschentuch hätte er ihr reichen können, mit den Worten: „Wenn Sie weinen möchten, können Sie es gerne tun.“
Da wird Margarethe noch so viele Faxe in die Sendung schicken können: Dieser gewisse Touch, der den sogenannten einfachen Leuten das Gefühl gibt, ein millionenfach verstärktes Ohr geschenkt zu bekommen, ist nicht lernbar. Wontorra macht einen Job – er hat keine Mission. Margarethe möge rasch niederkommen: Männer haben es einfach nicht drauf. Jan Feddersen
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