■ Standbild: Solides Stück
„Zar Boris und die Brandstifter“, Sonntag, 21.45 Uhr, ARD
Auslandskorrespondenten sind diese Leute, die in den Nachrichten immer mit einem Mikro in der Hand auftreten und einem in 1:30 Minuten erklären, wie die Welt da draußen funktioniert. Und manchmal, so es die knappe Zeit erlaubt, dürfen sie ein bißchen durch die Gegend fahren und sogenannte Hintergrundberichte für den „Weltspiegel“ oder das „auslandsjournal“ machen. Mit etwas Glück und Geschick entdecken sie dabei bisweilen einen Krisenherd und weisen auf eine drohende Kriegsgefahr hin. Und wenn's dann in der Gegend kurz darauf auch wirklich knallt, freuen sich die Intendanten daheim, sagen „prima gemacht“ und verweisen gern darauf, daß auf ihrem Kanal ja schon damals...
Ansonsten bleibt der um Verstehen bemühte Blick zurück ein eher seltener. Dabei weiß man doch auch als gewissenhafter Zeitungsleser bei einigen Auseinandersetzungen längst nicht mehr, wer sich da genau wie mit wem und warum haut. Um so löblicher jenes solide Stück Fernsehen, das Sonia Mikich (ARD-Korrespondentin in Moskau) und Jörg Hafkemeyer hier ablieferten. Ihre akribische Chronologie jenes halben Jahres, das dem Krieg in Tschetschenien vorausging, bestach zunächst durch die ungeheure Fleißarbeit, mit der da in Archiven gekramt worden war. Darüber hinaus legten Vertreter aus Rußland, Tschetschenien, aber (nicht eben unwesentlich) auch der Nato ihre aktuelle Sicht der Dinge dar. (Wobei man sich von deutscher Seite neben den staatstragenden Windungen von Kinkel, Klaus, durchaus noch ein paar andere Statements gewünscht hätte.)
Wenn als Fazit des Films schließlich übrig blieb, daß man nun noch weniger als zuvor wußte, wo auf politischer Ebene in diesem Fall die eindeutigen Schweine und wo die Opfer auszumachen sind, dürfte das allenfalls die romantischen Anhänger schlichter Monokausalität verstört haben. Aber diese Einsichten in die Mechanismen, Banalitäten und Zufälligkeiten eines Krieges sind auch nicht eben der Normalfall. Diese unspektakuläre Dokumentation darf sich jeder ARD-Intendant als Sahnestück öffentlich-rechtlichen Fernsehens ins Regal stellen. Reinhard Lüke
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