■ Standbild: In Treue zum Haferlschuh
„Oktoberfest: Trachten- und Schützenzug“. So., ARD, 10 Uhr
So, das müßten jetzt die Königstreuen sein. Warum lachen die? Die Burschen in der grünen Tracht sollten lieber die Zähne zusammenbeißen, denn es erwartet den Monarchisten-Verein ein sieben Kilometer langer Marsch mitten durch den zur Zeit ungemütlichsten Platz der Erde: das Oktoberfest in München.
Und überhaupt, die Königstreuen müßten eigentlich eine schwarze Binde tragen, weil dieses Jahr der Chef des Hauses Wittelsbach gestorben ist.
Das alles würde unsereins nie erfahren, wenn es nicht Fritz Zeilinger gäbe. Er ist Trachtenexperte und seit Jahren Kommentator des Bayerischen Rundfunks bei der Übertragung des Trachten- und Schützenzuges vom Oktoberfest. Einerseits: Die Sendung des Festzuges gehört zu dem Volksfest wie „dinner for one“ zu Silvester, und man würde sie sich auch ohne Zeilinger ansehen, weil man das in Bayern nämlich schon immer gemacht hat. Andererseits: Dieser Mann ist ein Genie. Denn während seine Kollegen vom Fußballkommentar nur in kurzen Schaltpausen nach Spielende das absolute Nichts beschreiben müssen („Rubi, noch etwas Soße!“), tut Zeilinger das geschlagene zwei Stunden lang. Es ist wie ein gigantischer Einlauf der deutschen Mannschaft, nur ohne anschließendes Spiel und zum Glück ohne Heribert Faßbender.
Als wäre die Materie (Haferlschuh, Gamsbart etc.) nicht hinreichend schwierig, werden Zeilinger von der Bildregie regelmäßig böse Streiche gespielt. „Das müßten jetzt die Chiemgauer sein. Man sieht, im Chiemgau trägt man nicht den flachen Hut...“ – man sieht es überhaupt nicht, weil das Bild ein Pferd in Großaufnahme zeigt. „... vielleicht kann man auch einmal die ,Loferl‘ sehen, diese Stutzen...“ – im Bild ein Mann mit einer Tuba, aber was sind Loferl? „... aber jetzt haben wir hier eine Blaskapelle aus der Hallertau, dem berühmtesten Hopfenanbaugebiet der Welt.“
Manchmal glaubt man, in seiner sonoren Stimme einen leisen Hauch des Bedauerns zu vernehmen, weil mal wieder seine Erklärung überhaupt nicht mit dem Bild korrespondiert. Aber Fritz Zeilinger hat Geduld und Erfahrung. Er weiß: Wie das nächste Jahr, kommt auch Fritz Zeilinger wieder und mit ihm Loferl, Königstreue, Haferlschuhe. Stefan Kuzmany
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