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■ StandbildFallenlassen

„exclusiv – die reportage“, Sonntag, 23.15 Uhr, RTL 2

Keine Ausreden! – Es muß schon ziemlich verblödet sein, wer sich am Sonntag abend statt der gelungenen ZDF-Ausnahmedokumentation mit dem leider weniger gelungenen Titel „Life is a Cabaret“ (s. taz vom 14.6.) lieber die weitaus weniger gelungene RTL-Reportage mit dem leider noch weniger gelungenen Titel „Sex-City Berlin“ angeschaut hat. Derweil das ZDF nämlich staunen machte, wie öffentlich- rechtliches Fernsehen über sich hinauswuchs, blieb RTL 2 bei seinem Leisten und der Leistengegend verhaftet: Sieben sexy Kurzbeiträge aus der „Hauptstadt der Lust“ hatte man aneinandergereiht – und das mit Themen, so schlaff und überflüssig wie ein gebrauchtes Kondom im Park. Escort-Service, Strip-Schule, Table-Dancing, SM-Parties, sogar Tantriker Andreas Rothe (alias Andro) mit seinem dubiosen Antinous-Institut direkt über Ben Beckers Stammkneipe mußte wieder herhalten. (Und tat's gewiß auch gern. Schließlich wirbt er inzwischen selbst in Anzeigen mit seinen „vielen Auftritten in TV-Produktionen“.) Außerdem hat seine Tantra-Schule seit neuestem auch Fallschirmspringen im Angebot. Stichwort Fallenlassen. Und tolle Bilder gab's gratis, auch wenn sie teilweise derart verfremdet werden mußten, daß nur noch hautfarbene Schlieren zu erkennen waren. Und als dann auch noch irgendein dubioser „Kiezkönig Bernd“ sein Lamento mori über den Sittenverfall im Rotlichtmilieu anstimmen durfte, machte Autorin Manuela Hrdlicka einen kleinen, entscheidenden Fehler, der ihre Reportage als unqualifizierten TV-Touristenreport entlarvte. Weiß nicht jedes Kind, daß man im Milieu erst dann zum „König“ wird, wenn man bereits vier Fuß unter der Erde liegt? Christoph Schultheis

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