■ Standbild: Familienausflug
„37°: Voll im Griff“, Dienstag, 22.15 Uhr, ZDF
Wohin mit dem Erkenntnishunger am Dienstag abend? Schon wieder „Gummi, Lack und Fesselspiele“ auf RTL 2? Gähn. Dann lieber „37°“, ein anständiges, öffentlich-rechtliches Reportagemagazin. „Voll im Griff“, aus dem Leben des Rodeocowboys Marvin – klang doch vielversprechend. Acht Sekunden muß sich so ein Reiter auf einem ungestümen Zossen halten. Aha. Nicht viel länger brauchte Filmemacher Roland Blum für seinen ersten Off-Kommentar: „Rodeoreiter rechnen immer mit Verletzungen. Sie sind jedesmal aufs neue bereit, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen.“ Uff. Da im Bild vorwiegend zappelnde Männerleiber auf Pferderücken zu sehen waren, konnte man getrost die Augen schließen und sich weiteren Perlen der Gebrauchsprosa hingeben: „Weil Marvin sein Leben fest in der Hand hat, kann er sich voll fliegen lassen“; „Marvin besitzt eine stille Führungspersönlichkeit, in die er sich immer als Partner einbringt.“ (!?) Daß sich Marvins Gattin obendrein von einer Sprecherin synchronisieren lassen mußte, der man in keiner Dorfkirche die Fürbitten anvertrauen würde – was soll's.
Was sich das ZDF bei diesem Schmonzenz gedacht hat, wissen wir nicht. Aber nehmen wir mal an, Roland Blum ist begeisterter USA- Tourist. Also besorgt er sich Aufträge, die ihn über den großen Teich führen. Und da Herr Blum ungern ohne seine – nehmen wir mal an – Gattin Ute Blum reist, macht die bei seinen Filmen immer den Ton. (Vielleicht synchronisiert sie hie und da auch schon mal...?) Nix dagegen zu sagen. Nur wenn bei solchen Familienausflügen ein derart unbedarftes Filmchen rauskommt, wird man als Gebührenzahler doch mal fragen dürfen, ob Redakteure eigentlich keine Drehbücher lesen. Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen