■ Standbild: Vermischte Fakes
„Kanal 4 – stop“ Mo., 23.50 Uhr, Sat.1
Ob in China ein Sack Reis umfällt oder nicht, kümmert sprichwörtlich niemanden. Wie aber steht es z.B. um die Nachricht, daß in Holland ein kostenpflichtiges Frust-Telefon eingerichtet wurde?
Allein Bild-Zeitung und Ulrich Wickerts „Das Wetter“-Anmoderationen zeigen's schließlich Tag für Tag: Die Welt ist groß, der Klump verfügbarer Informationen noch größer – ein Tummelplatz mit allerlei Nischen für Verrückte, findige Kleinunternehmer und Zufälligkeiten. Und es ist allein die (unterstellte) Glaubwürdigkeit des jeweiligen Informationshändlers, die seinen Endverbraucher zwischen Tatsache und Fake unterscheiden läßt. Im April 97 und im Kielwasser des Born-Eklats hatte Sat.1 versucht, mit dilettantisch recherchierten und dilettantisch gefälschten Kurzbeiträgen aus der Welt des Vermischten Quote zu machen: „Wahr oder unwahr“ hieß der Flop. „Stop“ heißt dort nun das neue Magazin rund um den Fake. „Stop“ aber wurde nicht für Sat.1, sondern für das Kulturfenster Kanal 4, das den Zuschauer mit „Beiträgen aus Kultur, Sport, Wissenschaft und Politik aufs Glatteis führen“ und „den kritischen Blick fürs Fernsehen schärfen“ möchte.
Ob den Zuschauer, der sich Montag nachts in den Schlaf zappt, allerdings noch interessiert, ob das, was er sieht, noch Tatsachen sind; bzw. ob sich der Zuschauer, der sich ebendann ganz bewußt auf die Kanal-4-Insel rettet, noch sagen lassen muß, daß nicht alles, was ihm entgegenflimmert, Tatsachen sind, ist schwer zu sagen.
Faken indes ist simpel, ein Fake immer im Recht: Entweder man läßt sich für dumm verkaufen (und macht sich lächerlich), oder man läßt sich nicht für dumm verkaufen (und macht sich lustig). Und nicht erst seit Orson Welles' „War of the Worlds“-Hörspiel oder „Stern TV“ weiß man: Der Fake funktioniert nur, wenn er einem unerwartet begegnet. Ebenso könnte ein Fake-Magazin womöglich nur dann gelingen, wenn es als solches nicht kenntlich gemacht, der Zuschauer mit seinen berechtigten Zweifeln alleingelassen (oder für dumm verkauft) würde.
Der Unterhaltungswert von „stop“ aber geht über den einer x-beliebigen Rätselecke bisher kaum hinaus. „Auflösung im nächsten Heft“, steht dort, derweil „stop“ das Insert „Auflösung am Schluß“ einblendet. Christoph Schultheis
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