■ Standbild: Und Biermann singt
„Bühler Begegnungen“, Do., 22.25 Uhr, 3sat
Warum war Wolf Biermann noch nicht im „Literarischen Quartett“? Ist denn noch niemandem aufgefallen, daß er immer reichranickihafter wird? Wie er da sitzt und monologisierend mit den Ärmchen wedelt, eitel die Augen rollt, hundertmal geschwatzte Banalitäten wiederholt, zwischen Gut und Böse jederzeit zu unterscheiden weiß und gönnerhaft „Mein Lieber“ sagt: Das paßt!
Dennoch saß er bei der „Bühler Begegnung“ bloß neben Peter Voß im Schloß. „Wie links sind Sie noch?“ hatte sich Voß raffiniert als erste Frage ausgedacht – und es sollte auch fast schon seine letzte sein. Denn Biermann antwortete darauf jaulend, krächzend, jammernd und schreiend mit seiner Lebensgeschichte, so wie er auf alle Fragen dieser Welt mit seiner Lebensgeschichte antwortet. Mutter Emma. Hamburg. DDR etc. Man kennt das alles, und Biermann weiß das. „Wie Sie ja wissen“, pflegt er gern zu sagen und tätschelt dazu die Armlehne. Mhm, mhm, nickte Peter Voß dazu. Ihm war anzumerken, daß ihn die Veranstaltung irgendwie quälte. „Wollen Sie wirklich wissen, wie ich mich vom Kommunismus gelöst habe?“ fragte Biermann. „Nee“, stöhnte Voß und erschrak sogleich: „Dochdoch!! Will ich wissen!!!“ Und so blieb auch diese Geschichte niemandem erspart.
Im ORB gibt es die Reihe „Zur Person“ von Günter Gaus. Bei Gaus lernt man, wie man Interviews unpeinlich führt und den Gesprächspartnern Einsichten entlockt, die sie sich bis dahin selbst nicht einzugestehen wagten. Voß dagegen hat keine Neugier. Er ist kein Widerpart, sondern ein Opportunist. Das kann bei Biermanns Neigung, Privates auszubreiten, nur schrecklich enden: Biermann, der Großartige, greift zur Gitarre und stimmt und singt. Jörg Magenau
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