■ Standbild: Ja, reiner Staatsfunk
„Talk im Turm“ – Stefan Aust befragt Gerhard Schröder. So., 22.05 Uhr, Sat.1
Jeden Montag schreiben die Blätter von Helmut Markwort und Stefan Aust so ungefähr dasselbe (Nebenkanzler Lafontaine, Verrat an der Neuen Mitte etc.). Donnerstags mokieren sie sich dann, wenn Werner Funks Stern den Kram wiederholt. Doch statt nun brav um die Schwächen Schröders herum zu investigieren, drängte es sie alle ins Fernsehen, nachdem Aust-Ahne Erich Böhme damit ein rechter Star geworden ist.
Böhmes Sendung aber hat dann doch Spiegel-Chef Aust gekriegt, während Focus-Chef Markwort nur einen unwichtigen Talk bei 3sat hat und Stern-Chef Funk seine noch schnell gestrickte Vox-Show gar nicht erst antrat. Anläßlich des Regierungswechsels stänkerte Markwort mächtig über die Hamburger Chefredakteure („allesamt eng verbandelt“ mit dem Kanzler), woraufhin Zeit-Chef de Weck einen Leitartikel schrieb und Funk einen Anwalt schickte – wie es eben so geht bei Deutschlands souveräner vierter Gewalt. Und nun sagt Schröder noch glatt zu Stefan Aust, Männer über 50 benähmen sich nicht „wie im Kindergarten“.
Tatsächlich aber sollte Markwort mit seiner Prophezeiung zu Austs „Talk im Turm“-Auftakt („reiner Staatsfunk“, „Kumpel“, „Duzbrüder“) recht behalten. Aust räkelte sich nervös, fragte Schröder noch mal all das, was dieser schon im Wahlkampf nicht beantwortet hatte, um immer dann, wenn Schröder hätte unsicher werden können, auf ein anderes Thema einzubiegen. Ein Konzept gab es nicht, konkrete und allgemeine Fragen gingen durcheinander, und als einmal Schröders ignorantes Geschichtsverständnis genauer zu befragen gewesen wäre (beim Thema Zwangsarbeiter), da legt Aust die Hand unters Kinn und fragt, ob Schröder nicht mal ein bißchen mehr auf die Medienkritik am Koalitionsvertrag hören wolle. Eben zwei „Kumpel“, ein bißchen steif, weil sie sich vor der Kamera siezen müssen.
Während Erich Böhme die Gelassenheit des Alles-hinter- sich-habens zu naiven Fragen nutzte, scheint Aust immer noch so ergriffen, daß seine Generation jetzt Spiegel-Chef und Bundeskanzler stellt, daß ihm eine wirklich kritische Frage nicht einfällt. Da genügt es, wenn er und Schröder sich gegenseitig versichern, Journalisten, die den Kanzler nicht kritisieren, seien eine Fehlbesetzung. Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Lutz Meier
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