■ Standbild: Sag niemals nie
„Ein Herz für Kinder“-Gala, Freitag, 21.15 Uhr, ARD
Eine Ewigkeit dauert im Fernsehen weniger als ein Jahr. 1997 stolperte Margarete Schreinemakers unelegant über Margarete Schreinemakers, und weder ihr Finanzminister noch ihr Programmchef (nicht einmal die Quoten!) wollten sie auffangen. Der Kontrollverlust war total.
Das alles war gestern. Nun ist Theo Waigel abgewählt, Helmut Thoma im Ruhestand. Margarete Schreinemakers ist zurück. Und sie ist besser denn je. Die Gala, mit der sie am Freitag ihren Platz im TV-Zirkus wieder einnahm, ist ein unmoderierbares Monster. Mehr als zwei Stunden lang wird stupide der Kanal offengehalten, damit der Spendengroschen rollt. Keine Handlung, keine Spannung. Nur viel zu viele Leute. Bonzen, die Schecks abgeben. Stars, die sich am Spendentelefon engagieren, weil ihre Agentur das imagefördernd findet. Dazwischen gute Menschen, die wirklich gute Taten tun.
Margarete Schreinemakers war geradezu provozierend selbstsicher. Keine Spur von Aufregung, kein kleines Danke, daß sie wieder mitspielen darf. Die Schritte über den Laufsteg waren fest, die Übergänge von einem Elend zum nächsten stilsicher. Die Prominenten behandelte sie so beiläufig wie eh und je, den Öffentlichkeitsarbeitern der Wirtschaftsunternehmen zupfte sie begierig die Schecks aus der Hand. Zur vollen Form lief sie im Umgang mit den Opfern auf: zum Beispiel die elfjährige Daniela, die einen Tumor hat und auf eine Delphintherapie hofft. Als sei in diesem Augenblick nichts wichtiger, als mit dem kleinen Mädchen über Boygroups zu plaudern, blendete sie die Kameras scheinbar für einen Moment lang aus. Minuten später ein Gespräch mit ganz anderer Fallhöhe. Scarlett, die jahrelang von ihrem Stiefvater mißbraucht wurde, ist gekommen, ihren Retter zu preisen. Das Thema gehört hier eigentlich nicht her, es ist eine Glamoursendung. Andererseits macht allein Öffentlichkeit Geld. Deshalb will Scarlett reden, und so eine Entscheidung nötigt Respekt ab. Also müssen wir da durch. Schreinemakers holt tief Luft, legt der jungen Frau die Hand auf (ja, sie tut es immer noch!) und beginnt. Der Ton stimmt, die Fragen sind angebracht, die Distanz bleibt gewahrt.
Margarete Schreinemakers macht kein Fernsehen. Sie hat Fernsehen völlig verinnerlicht. Ein unglaubliches Talent, viel zu schade, um nur belgische Waffeln zu backen. Klaudia Brunst.
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