■ Standbild: Zurechtgegrübelt
„Walt Disneys Geheimnis“, Sa., 22.15 Uhr, BR
Der Mickeymaus-Mann Walt Disney wurde am 5. Dezember 1901 in Chicago geboren. Aber es gibt ein Dorf in Spanien namens Mojácar, da behauptet man, Disney sei der uneheliche Sohn einer spanischen Auswanderin und von den Disneys klammheimlich adoptiert. Wozu, fragt niemand. Aber es gibt einen Filmemacher namens Bernd Dost. In Mojácar trug Dost ein zitronengelbes Pullöverchen um die Schultern und war so oft im Bild wie sonst nur sein Doku-Kollege Roger Willemsen.
Doch Dost nervt, und darum erzählten der Bürgermeister, die alte Frau, der alte Mann, der Kneipenwirt, die Tourismusbeauftragte unermüdlich die selbe Geschichte, die sie schon tausend Mal erzählt haben. „Glaub' ich ...“, hieß es immer wieder. Oder: „Möglicherweise ...“. Und: „Gerüchte ...“ Beziehungsweise: „Schade, dass alle schon tot sind.“ Dann, die behäbige Herumfragerei hatte schon mehr als die Hälfte seiner Sendezeit (70 Minuten!) vertrödelt, zeigte irgendjemand uralte Filmaufnahmen, die eventuell noch nie öffentlich gezeigt worden seien und auf denen kurz ein Mann zu sehen ist, der möglicherweise Disneys unehelicher Vater hätte gewesen sein sollen. Pardauz! (So suggestiv und faktenarm arbeiten doch sonst nur Ulrich Meyer und seine Sat.1-„Akte“.)
Dummerweise bestätigte sich dann auch noch der Verdacht, der den Zuschauer schon nach wenigen Minuten beschlichen hatte: Die Geschichte, 1940 von einer kleinen spanischen Zeitschrift in Umlauf gebracht, ist „ein Ammenmärchen“. So erinnert sich, ebenso entnervt wie glaubwürdig, unter anderen der 86-jährige ehemalige Herausgeber: Aber ja, man wollte mit dem schrulligen Fake die Auflage steigern ...
Nachdem sich Dost aber doch noch ein hanebüchenes Hintertürchen für die Aufrechterhaltung des Irrelevanten zurechtgegrübelt hatte, wie andernorts arme Irre die Existenz von Außerirdischen, rief er: „Ja, da müssen wir einen drauf trinken!“
Es sollte Dosts letzter Satz sein. Und sein erster vernünftiger. Christoph Schultheis
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