■ Standbild: Opfer des Begehrens
„Der Voyeur“, Freitag, 20.15 Uhr, Pro7
Die Story hatte etwas „Tod-in-Venedig“-haftes: Geschäftsmann Curt steht vor dem Handel seines Lebens. Im Grand Hotel Locarno trifft er den Industriellen Riva, der aber noch vor Vertragsabschluss verschwunden ist. Curt (Götz Otto) möge auf ihn warten; alle Wünsche sollen ihm vom Hotelbesitzer (Axel Milberg) erfüllt werden. Umgeben von schönen Frauen und beunruhigend schönen Images wird Curt zum Voyeur, zum Opfer seines Begehrens. Hier eine bemüht verrückte Barsängerin (Miriam von Versen), da die stumme Überschöne. Curt verliert immer mehr die Kontrolle über seine Entscheidungen. Alles, was ihn bislang ausmachte – Dynamik, Zielstrebigkeit, Vernunft – weicht auf in der morbiden Großartigkeit des alten Hotels und im blauen Nebel des Lago Maggiore.
„Der Voyeur“ buchstabierte mit Curt das Paradigma eines Helden durch, um den herum Dinge geschehen, die sich seinem Verständnis vollkommen entziehen. So muss ihm (und dem Zuschauer) alles zu Zeichen und Symbol werden. Während eines wilden Streits im Off fokussierte die Kamera Curts weißes Gesicht über weißem Tischtuchleinen. Ein zentrales Bild: Allein in großen Räumen, dem Unbewussten ausgeliefert.
Der Sender kündigte den „Voyeur“ als erotischen Thriller an. Um diesen Aspekt zu bekräftigen, wurden sehr attraktive Darsteller gecastet. Allen voran das Model Claudia Mehnert mit ihren riesigen Katzenaugen. Die Kamera folgte mit digitalisierter Bildbearbeitung, variablen Bildausschnitten und Rasterungen ganz klar der modernen Werbeästhetik. Farben und Bilder waren expressiv gegeneinander abgesetzt und kühl. Doch das Werbeästhetische hatte auch Nachteile: Jeden Moment erwartete man die glutäugige „Campari“-Frau mit ihrem Messer.
Dennoch hob sich „Der Voyeur“ wohltuend vom sonstigen Pro 7-Angebot ab. Doch Roman Kuhns zweite Regiearbeit (nach „Die Schläfer“) hätte mehr überzeugt, wenn dem Willen zum Stil straffere Zügel angelegt worden wären. Anke Westphal
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