piwik no script img

StandbildFeiertagsfibriler Trieb

„Lieber Böser Weihnachtsmann“, Di., 20.15 Uhr, Pro7

Weihnachten herrscht der Ausnahmezustand. Die Bösen kleben sich ein Wattebart an, und schon sind sie von den Guten nicht mehr zu unterscheiden. Die Guten aber werden in der aufgeheizten Stimmung unterm Tannenbaum von den Ausrutschern ihrer Vergangenheit eingeholt und sehen auf einmal ganz böse aus. Heiligabend ist alles drin.

Und wer sich im Dezember durch die Eigenproduktionen der Sender arbeitet, den beschleicht das Gefühl, dass sämtliche Drehbuchautoren nur auf diesen einen Tag gewartet haben, um endlich der piefigen Fernsehwirklichkeit zu entfliehen. Verständlich, dass die Schreiber da überreagieren. Verständlich auch, dass selbst erfahrene Darsteller bei diesen zusammengefieberten Feiertagsfantasien eine schlechte Figur machen. So kämpften sich auch die TV-Routiniers Jennifer Nitsch, Miroslav Nemec und Rufus Beck mit dem mimischen Repertoire von Lebkuchen-Nikoläusen durch „Lieber Böser Weihnachtsmann“.

Dabei ging es nach allen Regeln des Psychothrillers los: Der Streicherakkord vom „Stille Nacht“ wurde durchgewengelt, bis er nach „Psycho“ klang, und die Kamera schwirrte aus subjektiver Perspektive um ein Einfamilienhaus. Das verhieß Horror. Tatsächlich war denn auch nicht Vater Ziegler der Weihnachtsmann, sondern Triebtäter Dieter. Und der holte keine Geschenke aus seinem Sack, sondern eine Pistole und den massakrierten Familienhund. Doch das war erst der Anfang: Um sich an dem Journalisten Ziegler zu rächen, der einst einen unvorteilhaften Artikel über ihn geschrieben hat, will er dessen Frau und Kinder aufs Gemeinste quälen. So beginnt ein Psychoduell, das den Zuschauer ebenso zermürbt wie die Geiseln, denn einen dramaturgischen Masterplan suchte man vergeblich.

Immerhin weiß der Zuschauer jetzt, dass Vater die Schwägerin vögelte und Mutter tablettensüchtig war. Aber wenn man den TV-Autoren im Festtagsrausch glaubt, ist das ja bei den restlichen Familien der Republik nicht anders. Christian Buß

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen