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StandbildMutteractiontier

„Kinderraub in Rio – Eine Mutter schlägt zurück“, Di., 20.15 Uhr, Sat.1

Esther Schweins hatte ganz schön zu kämpfen. Vor allem mit ihren langen roten Haaren, die ihr ständig ins Gesicht zu fallen drohten. Und so was ist wirklich ärgerlich, wenn man ohne Unterlass Notoperationen durchführen, Hubschrauber fliegen und korrupte Polizisten zur Sau machen muss. Kurz: Wenn man sich als ganz normale Philanthropin in einem Land behaupten muss, in dem Gesetze mit Füßen getreten werden und diese Füße dann nicht einmal richtig pedikürt sind.

Brasilien ist so ein Land. Schweins jagte hier als Ärztin und Mutter Dr. Linda Conti die Entführer ihres Sohnes. Die Bullen hatten ihr lapidar erklärt: „Jedes Jahr, jede Nacht verschwinden hier hunderte von Kindern.“ Kein Wunder, dass die adrette Medizinerin mal eben selbst Hand anlegte.

Muttertier oder Actionheroin – so recht konnte sich Schweins allerdings für keine der Rollen entscheiden. Was vielleicht auch daran lag, dass sie in beiden nicht recht zu überzeugen wusste. Ihren Filmsohn lächelte sie jedenfalls so liebevoll an wie einen Dackel, der gerade auf ihren Perserteppich pinkelt, und als sie während des dramatischen Finales ohne wirkliche Flugerfahrung einen Helicopter am Zuckerhut vorbeilenken musste, erinnerte sie an eine höhere Tochter bei ihrer ersten Reitstunde.

Aber das waren nur unerhebliche Details in einem Film, der mit der Raffinesse von Maggie-Fix-Soßen-Binder Stereoytpen aus Weißkittelmelodramen und Selbstjustizreißern verschmolz, um vor Favela-Kulissen die niederen Instinkte mitteleuropäischer Bausparer zu befriedigen. Elendstourismus ist ja immer noch eine Angelegenheit, die sich hier zu Lande großer Beliebtheit erfreut. Und als Esther Schweins mit wallender Mähne durch Rio de Janeiros Slums ohne Gesetz und ohne Wasserversorgung rannte, rückte der Streit mit dem Nachbarn über die Unkrautwucherung auf der gemeinsamen Garagenauffahrt auf einmal in weite Ferne.

Christian Buß

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