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Archiv-Artikel

Stalag 326 Revisited

Neue Studie zum Kriegsgefangenenlager Stukenbrock thematisiert die Verdrängung in der Nachkriegszeit

Als Nestbeschmutzer galten lange Zeit all jene in der westfälischen Senne, die sich im Kalten Krieg gegen das Verdrängen der Geschichte um den sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock stellten. Auch wenn es seit den 70er und 80er Jahren Bücher, Berichte und Filmdokumente zum „Stalag 326“ gibt und 1996 eine Dokumentationsstätte auf dem Gelände des ehemaligen Gefangenenlagers eingerichtet wurde, hat doch kommunikatives Beschweigen dieses Kapitels der NS-Zeit so manche Lücke gelassen. Die hat nun der Historiker Carsten Seichter mit seiner Arbeit „Nach der Befreiung. Die Nachkriegs- und Rezeptionsgeschichte des Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlagers ‚Stalag 326 VI K‘ Stukenbrock“ (PapyRossa, Köln) zu schließen versucht. Das Buch wird heute in Bielefeld von dem NS-Forscher Arno Klönne vorgestellt.

Wichtigster Untersuchungsgegenstand des Bandes ist die Wahrnehmung der Vorgänge in Stukenbrock durch die Menschen der Region. Dargestellt wird, wie das Verdrängen der Geschichte um das Kriegsgefangenenlager, das 1941 im Zuge der Vorbereitung auf den Überfall auf die UdSSR eingerichtet worden war und in dem bis 1945 geschätzte 65.000 Rotarmisten zu Grunde gegangen sind, durch blinden Antikommunismus begünstigt wurde. Wie der Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“, der sich seit seiner Gründung 1967 dem Gedenken der Verbrechen an die Kriegsgefangenen verschrieben hat, systematischer Anfeindungen aus dem konservativem Lager und ständiger Überwachung durch den Verfassungsschutz ausgesetzt war.

Hauptgrund für diese Feindseligkeit war laut Seichter die Beteiligung von Kommunisten in dieser ersten deutschen Friedensbewegung, die die Bevölkerung der Region an eine Zeitgeschichte erinnerte, an die sie nicht erinnert werden wollte. Anhand einer Vielzahl von Dokumenten und Zeitzeugenzitaten wird dem Leser vorgeführt, mit welchen Schikanen bis weit in die 70er Jahre versucht wurde, das Gedenken an die Verbrechen der Nazis im Stalag Stukenbrock klein zu halten, ja oftmals zu kriminalisieren. Das Ziel war dabei ohne jeden Zweifel, das Ausmaß der Verbrechen zu relativieren und die Täter zu entlasten. Seichters „Nach der Befreiung“ war überfällig. HENK RAIJER

Buchpräsentation heute um 15 Uhr bei Arbeit und Leben e.V., im Ravensberger Park 4 in Bielefeld