Mit der Stahlkrise auf Du und Du: Stahlquoten am Ende?
■ EG beriet über Mindestpreise und Höchstmengen
Die kläglichen Versuche der Europäischen Gemeinschaft, auf ihrer Gipfelkonferenz am vergangenen Wochenende die Agrarkrise anzugehen, sind nur ein Teil des Elends der EG. Gestern hatten sich die Industrieminister einen anderen Dauer–Krisenbereich vorzunehmen: Die Stahlbranche. Einmal mehr ging es darum, ob das von den EG–Behörden verfügte System der Produktionsquoten für die einzelnen Länder und Konzerne sowie der Richtpreise aufgehoben wird oder nicht. Hintergrund dieser „Bewirtschaftung“ des Stahlbereiches ist die gewaltige Überproduktion. Stahlexperten gehen davon aus, daß zur Zeit bei einer weltweiten Nachfrage von 770 Millionen Tonnen Rohstahl die Unternehmen Überkapazitäten von etwa 200 Millionen Tonnen aufweisen, in Westeuropa betragen die Überhänge 20 bis 30 Millionen. Damit sich die Branche nicht durch einen dramatischen Preiskampf zugrunderichtet, erinnerte sich die EG–Kommission 1980 des Artikels Nr. 57 des bereits 1953 von den westeuropäischen Staaten beschlossenen Montanvertrages. Darin heißt es, bei Vorliegen einer „offensichtlichen Krise“ könne die EG– Kommission mit Zustimmung des Ministerrates Preise und Produktionsmengen festlegen und Strafen aussprechen. Dem Kartell der großen europäischen Stahlkonzerne „Eurofer“, das etwa 80 Prozent der EG–Stahlproduktion liefert, wurde in jenem Jahr nahegelegt, sich selbst auf einzelne Höchstmengen und Mindestpreise zu einigen, um behördliche Verfügungen zu vermeiden. Eurofer nahm diese Chance jedoch nicht wahr, und so tüftelten der EG–Industrieministerrat und die EG– Kommission ein Mengen– und Preissystem aus und beauftragten die Europäische Kommission für Kohle und Stahl (EGKS), selbiges zu überwachen. Gleichzeitig wurden dabei die Höchstsummen der zulässigen staatlichen Subventionen festgelegt, mit denen Sanierungen, Schrumpfungen, Entlassungen und dergleichen mehr erleichtert werden sollten. Dieses System ist seit 1981 in Kraft - keinesfalls problemlos: Konzerne und jeweilige Regierungen verdächtigen sich bisweilen gegenseitig, Produktions– bzw. Subventionshöchstgrenzen zu überschreiten und damit den Wettbewerb zu verfälschen. Mitunter verhängt darob die EGKS Strafen (allerdings nur Geldstrafen, es ist noch niemand wegen Überproduktion „eingefahren“). 1986 wurden Betonstähle aus der EG–Bewirtschaftung herausgenommen. Saniert ist die Branche noch lange nicht, die EG–Kommission ist das ständige Gerangel um Quoten, Preise und Subventionen jedoch leid. Sie beauftragte im Frühjahr drei Experten (“Stahlweise“), einen neuen Plan auszuarbeiten. Abermals wurde dem Eurofer–Kartell nahelegt, sich selbst zu einigen, und abermals versagte das privatwirtschaftliche Kartell. Die Stahlweisen empfohlen inzwischen den EG–Ministern, das Quotensystem aufzuheben. Die Kommission schloß sich der Empfehlung ebenfalls an mit der Einschränkung, für Grobbleche und Schwerprofile weiterhin Quoten gelten zu lassen. ulk McCASH FLOWS ORAKEL
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