: Stahlplatten für den Präsidenten
Im Rahmen der „Schaustelle Berlin“ drängten sich die Neugierigen im Rohbau des „Hotel Adlon“. Präsidentensuite hat 210 Quadratmeter ■ Von Tobias Rapp
Im Hotel Adlon am Pariser Platz herrschte am vergangenen Wochenende zum ersten Mal seit fünfzig Jahren wieder reger Publikumsverkehr. Abendgarderobe suchte man allerdings im Vorraum zum Ballsaal vergeblich, und auch in der Präsidentensuite hielten sich keine Staatsgästen auf. Die überwiegend älteren Herrschaften trugen eher Regenschirme und Videokameras.
Es ging den BesucherInnen auch mehr ums Sehen als ums Gesehenwerden. Der Rohbau des zukünftigen Fünf-Sterne-Plus-Hotels am Brandenburger Tor war ein Publikumsmagnet im Zuge der Aktion „Schaustelle-Berlin“. Mehrere hundert Besucher drängen sich bei den alle dreißig Minuten abgehaltenen Führungen – weit mehr, als von der Adlon-Betreibergesellschaft erwartet.
Den Glamour, den das Hotel ab seiner Eröffnung im kommenden Frühjahr ausstrahlen soll, mußte der Besucher sich aber noch bei einer Führung erklären lassen. Denn statt Leuchten aus Bronze und Alabaster, strahlten ordinäre Baulampen, und ein Regenschutz aus Dachpappe ersetzte die geplante Mosaikglas-Kuppel über der zukünftigen Eingangshalle. Nicht einmal der Haupteingang war benutzbar, da dort gegenwärtig der Estrich gegossen wird.
Über die mit Holzlatten gesicherte Haupttreppe aus Beton, die bald mit italienischem Marmor und einem schmiedeeisernen Geländer verschönt wird, ging es zu Fuß in den dritten Stock zur „Präsidentensuite“. Noch riecht es dort nach nassem Stein und nicht nach edlen Parfüms, und Fenster gibt es auch noch nicht. Herrmann Groschowski ist trotzdem angetan.
Er kommt aus Essen und ist für ein verlängertes Wochenende in Berlin. „Nochmal kriege ich die Präsidentensuite nicht zu sehen“, meint er und filmt die Aussicht aufs Brandenburger Tor durch ein Loch in der Sichtblende. Die Präsidentensuite hat 210 Quadratmeter und soll, wenn sie fertiggestellt ist, ein Wohnzimmer, eine Bibliothek, einen Ankleideraum und eine Sauna umfassen. Doch nicht nur für den Komfort, auch für die Sicherheit des Staatsbesuchs ist durch eine gesonderte Anfahrt und einen eigenen Aufzug gesorgt.
Für Groschowski wäre das aber nicht das Richtige. „Der sitzt hier ja wie in einem Kasten und kann nicht einfach mal runter und in eine Kneipe gehen“, meint er und klopft fachmännisch die kugelsicheren, fünf Millimeter dicken Stahlwände ab. Doch auch ein reguläres Zimmer für 500 Mark die Nacht reizt ihn nicht, „da kriegt man doch keine entsprechende Gegenleistung“. Ihm reicht sein Zimmer in einem Kudammhotel für 150 Mark.
Auch Ingeborg Will wird hier nicht absteigen. Das Hotel Adlon sei nichts mehr für sie. Sie schaut sich die Baustelle an, weil sie als junges Mädchen 1938 schon einmal im Adlon war. Allerdings mußte sie damals nur ein Paket abgeben. „Das war die große, weite Welt für mich“. Herkommen will sie aber nächstes Jahr trotzdem: „Nur mal zum Kaffee trinken, mit meinen Freundinnen“.
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