: Stahl-Fusion mit vielen Gewinnern
Mittal Steel und Arcelor wollen nun doch friedlich zum weltweit größten Stahlkonzern fusionieren. Die Firmenspitzen sind zufrieden – und die Gewerkschaften auch, denn die Arbeitsplätze scheinen sicher. Nur die russische SeverStal könnte stören
von BEATE WILLMS
Alexei Mordaschow will kein guter Verlierer sein. Im Kampf um das luxemburgische Stahlunternehmen Arcelor gibt sich der Chef des russischen Konzerns SeverStal noch nicht geschlagen. Die Meldung, dass Arcelor nun doch mit dem Weltmarktführer Mittal Steel fusionieren will, quittierte er gestern mit der Drohung: „Wir haben einen gültigen Vertrag und prüfen Rechtsmittel.“ Beispringen könnte ihm sein heimischer Konkurrent Roman Abramowitsch, der reichste Mann Russlands. Dieser soll bereit sein, ein höheres Gegenangebot der SeverStal mitzufinanzieren. Damit sollen die Arcelor-Aktionäre doch noch überzeugt werden, die am 30. Juni über die beiden Angebote entscheiden. Mordaschow will seine Strategie heute festlegen.
Nur die russische Option könnte die Fusion der beiden weltgrößten Stahlproduzenten Mittal Steel und Arcelor noch verhindern. Denn seit Sonntagabend hat die Arcelor-Spitze ihren Widerstand aufgegeben. Sie empfiehlt den Anteilseignern, das Mittal-Angebot anzunehmen. Mittal Steel will 27,6 Milliarden Euro zahlen. Das entspricht einem Preis von 40,40 Euro für eine Arcelor-Aktie, beim ersten Angebot waren es noch 28,21 Euro. Auch die Kartellbehörden haben keine Einwände.
Durch die Fusion entsteht ein Stahlkonzern, der mehr als dreimal so groß ist wie die Nummer zwei, Japan Steel. Er wird rund 120 Millionen Tonnen Stahl im Jahr herstellen, ein Zehntel der Weltproduktion.
Organisatorisch geht Mittal Steel in dem luxemburgischen Konzern auf, der dann Arcelor Mittal heißt. Lakshmi Mittal, Gründer und Chef des gleichnamigen Konzerns, wird mit 43 Prozent größter Einzelaktionär. Arcelor soll 50 Prozent halten.
Chef des Unternehmens wird Guy Dollé, der das Projekt als Arcelor-Vorstandschef energisch bekämpft hatte. In den Vorstand aufrücken sollen drei Mittal-Leute. Den Aufsichtsratsvorsitz soll Arcelor-Oberkontrolleur Joseph Kinsch behalten. Der 73-Jährige wird aber wohl bald von Lakshmi Mittal abgelöst.
Auch Arbeitnehmervertreter werden weiterhin im Verwaltungsrat sitzen, womit eine der wichtigsten Bedingungen der Gewerkschaften erfüllt ist. Bei der zweiten Bedingung scheint ebenfalls alles gut zu gehen: Man plane keinen Abbau von Stellen, hieß es sowohl bei Arcelor als auch bei Mittal. Bei der deutschen IG Metall bestätigt man, dass es bislang „keine Anzeichen dafür gibt, dass die Fusion Jobs kostet“. Das industriepolitische Konzept des neuen Konzerns liegt allerdings noch nicht vor.
Größere Bedenken hätte die IG Metall, wenn die Aktionäre sich doch noch für SeverStal entscheiden sollten. Das könne allein in Deutschland 3.000 Arbeitsplätze kosten, sagte Stahlexperte Friedhelm Matic. Zu Arcelor gehören die Stahlwerke Thüringen und Bremen sowie Eko in Eisenhüttenstadt. Mittal hat Betriebe in Ruhrort, Hamburg und Hochfeld. Wolfgang Nettelstroth vom IG Metall Bezirk Nordrhein-Westfalen sagte der taz, dass SeverStal-Investitionen „ausschließlich in Russland laufen würden“. Überhaupt gilt der russische Konzern als Kostendrücker, der mit niedrigsten Löhnen arbeitet und Arbeits- sowie Umweltschutz gering achtet.
Auch für die anderen deutschen Stahlunternehmen sehen Gewerkschafter und Analysten keine große Gefahr. Einige Firmen, wie die Salzgitter AG, haben sich auf Nischen spezialisiert, die von den Umwälzungen kaum betroffen sind. ThyssenKrupp hofft noch, sogar von der Fusion zu profitieren und den kanadischen Zulieferer Dofasco weitergereicht zu bekommen, den Arcelor den Essenern Anfang des Jahres weggeschnappt hatte. Die Idee ist allerdings umstritten: Immerhin würde ThyssenKrupp 3,8 Milliarden Euro zu zahlen haben, die hierzulande für Investitionen fehlen würden. Alternativ verfolgt das Unternehmen die Idee, selbst ein Werk in den USA errichten.
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