Städte und Corona: Eine herausfordernde Studie

Unser Autor klickt sich durch die Umfrage „Städtisches Leben während Corona“. Enthüllend ist das vor allem für ihn selbst.

Nachbarschaft, so wichtig! Vor allem in Corona-Zeiten ist der Kontakt von Tür zu Tür unerlässlich Foto: dpa

Meine Nachbarschaft macht nicht das, was ich will. Die nett gemeinten Angebote von mir anzunehmen zum Beispiel. Am Anfang der Coronapandemie habe ich einen Zettel in den Hausflur gehängt. Man solle mich doch einfach nur anrufen oder klingeln, wenn ich für jemanden einkaufen gehen soll.

Insgeheim sollte das eine Freundschaftsanfrage sein. An den kleinen älteren Mann aus dem ersten Stock, der immer beige Westen trägt. Beim Treppensteigen schnauft er immer so laut, dass ich ihn auch einige Etagen darüber noch höre. Ich hatte mir ausgemalt, wie ich seine Einkäufe vorbeibringe und unser Kontakt endlich mehr ist als ein freundliches Zunicken. Gemeldet hat er sich nie. Und den Zettel habe ich irgendwann wieder enttäuscht abgenommen.

Fast hätte ich das alles vergessen, wäre da nicht diese Umfrage: „Städtisches Leben während Corona“ ist ihr Titel, durchgeführt vom Georg-Simmel-Zentrum für Metropolenforschung. Wer sich durch die Fragen klickt, soll den Leitenden Professorinnen Talja Blokland (Stadt- und Regionalsoziologie, Humboldt-Uni) und Johanna Hoerning (TU-Gastprofessorin für Soziale Ungleichheit, Politik und Raum) helfen, die sozialen Folgen der Pandemie besser zu verstehen. Seit Montag ist die Teilnahme für alle möglich, die über 18 Jahre alt sind und nicht außerhalb des C-Bereichs wohnen.

Doch schon nach den ersten Klicks komme ich ins Stocken: Wie viele Freund*innen ich in meiner Nachbarschaft habe, soll ich da angeben. Nur wenige Fragen später, wie oft ich mit Menschen aus meiner Nachbarschaft ins Gespräch komme. Klar: Die Soziologinnen wollen wissen, inwieweit sich Nachbarschaftsnetzwerke durch die Pandemie verändert haben. Der Wahrheit verpflichtet gebe ich an, dass ich nur selten mit Leuten aus der Nachbarschaft spreche und niemand zu meinen Freund*innen zählt.

Einbrecher*innen aufgepasst

Immerhin: Bei der Frage, ob ich An­woh­ner*in­nen zutraue, Einbrecher*innen beim Ausräumen meiner Wohnung zu stoppen, kann ich zustimmen. Mein direkter Nachbar erzählte mir einmal, wie er zwei junge Männer festhielt, die sich Zutritt zu seiner Wohnung verschaffen wollten. Er habe sie erst losgelassen, als die Polizei da war. Ich bin mir sicher: Für mich würde er auch trotz Corona dasselbe tun.

Im letzten Drittel der Umfrage geht es dann viel um meine eigene Situation während der Pandemie, zum Beispiel ob ich in finanzielle Not geraten bin oder ob sich mein gesundheitlicher Zustand verschlechtert hat.

Die letzte Frage dann: Dürfte sich das Forschungsteam zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal melden, um sich ein Update einzuholen? Ja, unbedingt! Und ein bisschen fühlt sich das Eingeben meiner E-Mail-Adresse an wie das Annehmen einer Challenge: Bis zur nächsten Umfrage klappt es dann hoffentlich, mich mit dem alten Mann aus dem ersten Stock anzufreunden. Diesmal aber wirklich.

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