: Städte allein gegen Ver.di
Bund und Länder lassen die Kommunen beim Aushandeln von Löhnen und Gehältern im Stich. Sie treten aus der Tarifgemeinschaft aus. Arbeitnehmer und Beamte befürchten „Einkommenschaos“
von CHRISTIAN FÜLLER
Wenn es um die Wirtschaft geht, dann hält die Politik den Flächentarifvertrag für ein probates Mittel. Er verhindert wilde Streiks und bewahrt das Land so vor italienischen Verhältnissen im Kampf um höhere Löhne. Bei den eigenen Staatsbeschäftigten geht die Liebe zum koordinierten Verhandeln nicht so weit: Bund und Länder haben die Tarifgemeinschaft mit den Kommunen verlassen. Das bedeutet, dass Bürgermeister und Kämmerer zum ersten Mal seit 40 Jahren alleine mit der mächtigsten Gewerkschaft der Welt, mit Ver.di, um Gehälter feilschen müssen. Kein leichtes Unterfangen für den Club der Kirchenmäuse.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) zelebrierten die Scheidung von den Kommunen geradezu. In einem Brief an den Präsidenten, den Bochumer Oberbürgermeister, gab sich das ungewöhnliche rot-schwarze Verhandlungspärchen im öffentlichen Dienst ziemlich empört. Sie warfen der „Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände“ Eigenmächtigkeiten vor. Die Stadtfürsten hätten Sonderabsprachen bei der Entgeltumwandlung für die private Altersvorsorge betrieben – und so Bund und Länder um Millionen von Steuer-Euro geprellt. Daher, so der Brandbrief, müssten Bund und Länder nun eigene Wege gehen.
Doch Otto Schily hatte sich zu früh über den Coup mit dem CSU-Genossen gefreut. Faltlhauser verkündete wenig später, auch mit dem Bundes-Schily wolle er nicht mehr an einem Tisch sitzen, um die Gehälter für die 800.000 Arbeiter und Angestellten der Länder zu ermitteln.
Hintergrund des trickreichen bayerischen Vorgehens ist nicht allein die Finanzkrise. Schily und Faltlhauser verstehen sich ein bisschen zu gut – für den Geschmack von Edmund Stoiber (CSU). Der Ministerpräsident meldete sich, kaum dass sein Finanzminister formell die Trennung von den Kommunen verkündet hatte, um Bayerns Eigenständigkeit auch gegenüber Berlin zu manifestieren. Die Länder sollten künftig ohne den Bund über die Gehälter ihrer Leute feilschen.
Was der Ausstieg aus geordneten Tarifgesprächen bedeutet, skizzierten Beamtenbund und die Gewerkschaft Ver.di in seltener Einmütigkeit: Das führe zu Einkommenschaos im öffentlichen Dienst und gefährde dessen Modernisierung.
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