Stadtplanung: Turmstreit zu Barmbek
Bürgerbegehren gegen einen Neubau der ECE am Barmbeker Bahnhof gestartet. Vor allem das geplante Hochhaus hält die Initiative für fehl am Platze.
HAMBURG taz | Eine Bürgerinitiative möchte den Bau eines großen Bürokomplexes auf dem Gelände des ehemaligen Barmbeker Busbahnhofs verhindern. Sie hat ein Bürgerbegehren angemeldet und sammelt dafür Unterschriften. Die Initiative kritisiert die Anhandgabe des städtischen Areals an die Otto-Tochter ECE und die Firma Estatement. Hier Büros zu bauen, entspreche nicht den Bedürfnissen des Stadtteils. Insbesondere ein geplantes 15-stöckiges Hochhaus sei fehl am Platze. „Die Höhe des Turms passt nicht zu Barmbek“, sagt Andreas Bischoff, einer der Vertrauensleute des Bürgerbegehrens.
Die Gegend nördlich des Barmbeker Bahnhofs ist seit mehr als zehn Jahren ein wunder Punkt im Gewebe der Stadt. Die Einkaufsmeile Fuhlsbütteler Straße hat stark an Strahlkraft eingebüßt und seit einigen Jahren steht auch noch das Hertie-Gebäude an der Ecke Drosselstraße leer. Immerhin: Am Bahnhof hat der Senat investiert. 28 Millionen Euro hat er ausgegeben, um den U- und S-Bahnhof zu sanieren, den alten Busbahnhof abzureißen. Der Umbau des Busbahnhofs machte den Platz für den angegriffenen Neubau frei.
Der Bebauungsplan sieht hier einen L-förmigen, im wesentlichen fünfstöckigen Gebäudekomplex vor, an dessen Ecke zum Bahnhof hin sich das Hochhaus erheben würde. Rechts davon schließt sich der Block mit dem ehemaligen Hertie-Kaufhaus an. Der Düsseldorfer Projektentwickler Development Partner will das Hertie-Haus abreißen und durch eine Art Einkaufspassage – ein „Geschäftshaus mit 10.000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche“ – ersetzen. Am 13. März teilte er mit, er habe sich dieses Projekt gesichert, weil der Standort durch den vis-à-vis gelegenen Neubau und den Umbau des Bahnhof attraktiv geworden sei. Eine Einkaufsstraße zwischen den beiden Gebäudekomplexen soll den Bahnhof mit der Fuhlsbütteler Straße verbinden.
Die Bürgerinitiative fordert, dass das Areal des ehemaligen Busbahnhofs „nach den Vorstellungen des Sanierungsbeirats“ für Einzelhandel, Gewerbe und Wohnen bei einer Gebäudehöhe von maximal fünf Stockwerken genutzt werden soll. Zudem soll der Bebauungsplan Barmbek-Nord 17, der es ermögliche, das Areal an die Investoren zu verkaufen, nicht wirksam werden.
Volksgesetzgebung auf Bezirksebene: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sind in Paragraph 32 des Bezirksverwaltungsgesetzes geregelt.
Ein Bürgerbegehren muss beim Bezirksamt angezeigt werden und mit Ja oder Nein zu beantworten sein.
Zustande gekommen ist es, wenn es von drei Prozent der Wahlberechtigen unterstützt wird.
Sobald ein Drittel dieser Unterschriften eingereicht ist, entscheidet das Bezirksamt, ob das Bürgerbegehren überhaupt zulässig ist. Falls ja, tritt eine Veränderungssperre ein.
Der Bürgerentscheid muss spätestens vier Monate nach dem Zustandekommen abgehalten werden - sofern die Bezirksversammlung sich nicht das Anliegen der Bürgerinitiative zu eigen gemacht hat.
Die Initiative befürchtet, dass das Hochhaus die Nachbarschaft förmlich erschlagen würde. Das Bürohaus, in das 2015 die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) einziehen möchte, wäre am Wochenende wie ausgestorben – was nicht zu einem derart zentralen Ort passe.
Die Befürchtung der Initiative, im Erdgeschoss des VBG-Gebäudes seien keine Geschäfte und Cafés vorgesehen, beschwichtigt SPD-Fraktionschef Thomas Domres: „Es gibt einen städtebaulichen Vertrag, der die Ladennutzungen, die wir wollen, festsetzt.“ Domres hält das Hochhaus für vertretbar. Schließlich sei ja extra ein Architekturwettbewerb gemacht worden. „Am Falkenried haben wir auch ein Hochhaus zugelassen“, sagt er. „Das nimmt heute keiner mehr zur Kenntnis.“
ECE und Estatement hätten den Zuschlag für das städtische Grundstück erhalten, um die VBG mit ihren 550 Leuten in der Stadt zu halten. Das Bürgerbegehren sei chancenlos: „Vor einer Woche in der letzten Bezirksversammlung haben wir den Bebauungsplan beschlossen.“
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