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■ StadtmitteStädtepartnerschaft nutzen

Die Weltmetropole Berlin grüßt ihre Gäste: Drei Tage lang beehren 29 Metropolen-Bürgermeister die Hauptstadt. Eine Gelegenheit für die Berliner Politiker, dem Pekinger Bürgermeister darzulegen, warum sie gegen die Städtepartnerschaft waren, die Eberhard Diepgen auf seiner Promotion-Tour nach China im April so mir nichts dir nichts verfügt hatte. Möglicherweise erklären sie ihm gar unverblümt, daß China sofort alle politischen Dissidenten freilassen soll. Das sei, so werden die chinesischen Gäste voraussichtlich antworten, eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihres Landes. Im übrigen seien sie besorgt über die zunehmenden rassistischen Tendenzen und fremdenfeindlichen Übergriffe in der Bundesrepublik. Nach diesem kurzen Schlagabtausch werden beide Gesprächspartner diplomatisch das Thema wechseln und heilfroh sein, eine unangenehme Pflicht erledigt zu haben.

Nach Diepgens Reise hatte die Koalition angekündigt, sie wolle „die Frage der Menschenrechte bei jeder sich bietenden Gelegenheit“ zur Sprache bringen und „in diesem Sinne die Partnerschaft mit Peking“ ausgestalten. Wie soll das in der Praxis aussehen? Die schlechteste Lösung wäre, noch mehr Pekingtrips für reiselustige Abgeordnete zu finanzieren – auch wenn diese in China brav „bei jeder Gelegenheit“ die Menschenrechtsfrage stellen. Überflüssig auch die Einladungen hoher Pekinger Funktionäre zum Besuch von Reichstag und KaDeWe.

Was hätte Berlin sonst anzubieten? Warum nicht die Organisation von Dialogen zwischen jungen Künstlern, Veranstaltungen über Stadtteilarbeit, Bürgerbeteiligung in der Stadterneuerung, Rechts- und Mieterberatung, Selbsthilfe- oder Ökologieprojekte? Das würde bedeuten, gezielt auf prestigeträchtige und telegene Veranstaltungen zu verzichten und statt dessen Aktivitäten auf „niederer Ebene“ zu fördern. Auch in Peking sitzen in der unteren und mittleren Hierarchie Leute, die ihr Interesse an mehr Demokratie und Bürgerrechten oder kommunalpolitischer Kompetenz nicht aufgegeben haben, nur weil ihre Regierung auf Demonstranten schoß und Dissidenten gnadenlos einsperrt. Eine so aufgefaßte „People to People“-Städtepartnerschaft könnte nützlich sein – auch wenn sie schwerer zu realisieren wäre, als hohe Gäste mit Karten für die Philharmonie zu versorgen. Solche Städtebeziehung erforderte viel mehr Einsatz von seiten der Verantwortlichen, weil sie Kontakte knüpfen und sich wirklich über die Situation in der Partnerstadt informieren müssen. Das ist in Peking besonders schwer: Schließlich gibt es in China erst sehr wenige Gruppen oder Organisationen, die außerhalb der Regierungsstrukturen selbständig arbeiten können. Zudem ist es oft unmöglich, Einladungen gezielt an Fachleute auszusprechen, ohne auch ihren Vorgesetzten und Aufpassern die Reise zu ermöglichen. Aber es wäre den Versuch wert – und eine Alternative zu den bestenfalls hilflosen und schlimmstenfalls zynischen Ritualen der Politikerbesuche. Jutta Lietsch

Asien-Redakteurin der taz

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