Stadtentwicklung: Hollywood in Bergedorf
Neuansiedlung könnte den Umbau der Bergedorfer Innenstadt vollenden: Multiplex-Kino und Gastronomie südlich der Bundesstraße. Kein weiterer Einzelhandel.
Es könnte der letzte Baustein im Umbau des Bergedorfer Bahnhofsvorplatzes sein: Die Bauunternehmung Otto Wulff und die Immobilienfirma TAG haben vorgeschlagen, südlich der Bergedorfer Straße ein Büro- und Praxengebäude sowie ein Multiplex-Kino zu errichten. Der Stadtplanungsausschuss des Bezirks hat am Mittwoch beschlossen, ein entsprechendes Bebauungsplanverfahren einzuleiten. In 13 Monaten wolle er mit den Arbeiten beginnen, erklärte tags darauf der geschäftsführende Gesellschafter der Baufirma, Stefan Wulff. Bezirksamtsleiter Christoph Krupp (SPD) sieht eine "ideale Ergänzung" zur städtebaulichen Entwicklung nördlich der Bundesstraße 5.
Das Gebiet östlich des Bergedorfer Bahnhofs ist seit Jahren eine Baustelle - politisch wie auch tatsächlich. Pläne, auf dem Vorplatz ein geschlossenes Einkaufszentrum errichten zu lassen und damit den Neubau des Zentralen Omnibus-Bahnhofs (ZOB) zu finanzieren, wurden im Jahre 2000 durch einen Bürgerentscheid gestoppt. Ein daraufhin eingerichteter runder Tisch aus Vertretern von Parteien, Initiativen, des Handels und der Verwaltung erarbeitete bis zum Sommer 2002 ein neues Konzept. Es soll verhindern, dass die Fußgängerzone Sachsentor und deren vielfältige Struktur aus Läden und Cafés verödet.
Bergedorf ist damit einen anderen Weg gegangen als etwa Harburg, wo am Rathaus ein kleines und am Bahnhof ein großes Einkaufszentrum zugelassen wurden - in der Hoffnung, dass die Geschäfte in der Fußgängerzone vom Kundenstrom zwischen diesen beiden Einkaufswelten profitieren würden. In Bergedorf wird es dagegen nur vor dem Bahnhof eine Art Einkaufszentrum geben, und das verteilt auf mehrere Gebäude.
Was mit der Bergedorfer Innenstadt geschehen soll, war Gegenstand jahrelanger Debatten.
Die Probleme: Der ZOB vor dem Bahnhof galt als hässlich. Immer weniger Menschen mochten in Bergedorf einkaufen.
Der Lösungsvorschlag: Eine Privatfirma darf auf dem Bahnhofsvorplatz ein Einkaufszentrum errichten, das lockt KundInnen an. Dafür soll die Firma einen neuen ZOB finanzieren.
Der Widerstand: Engagierte Bergedorfer und der ansässige Einzelhandel befürchteten, dass ein geschlossenes Einkaufszentrum den Rest der Innenstadt veröden lassen würde.
Die Lösung: Ein paar Läden hier, ein Dienstleistungszentrum dort, ein Fachmarktzentrum hüben, ein Multiplexkino drüben.
Den gestern vorgestellten Planungen zufolge wird der ZOB auf das Dach einer Ladenmeile verlegt. Zurzeit gießen Arbeiter dafür die Betonfundamente. Schräg gegenüber entsteht ein Neubau mit Läden, Gastronomie und einem Dienstleistungszentrum der Verwaltung. Auch ein Fahrradparkhaus ist geplant. Beide Komplexe sollen nach Auskunft des Bezirksamtsleiters im kommenden Jahr fertig gestellt werden. Die Neubauten südlich der Bundesstraße, wo bereits ein neues Fachmarktzentrum steht, sollen 2013 stehen, geht es nach Bauunternehmer Wulff.
Dieser bezeichnete den eigenen Zeitplan als "ehrgeizig": Zwar arbeitet seine Firma schon seit einem Dreivierteljahr an dem Projekt. Das förmliche politische Verfahren habe aber gerade erst begonnen. Den BergedorferInnen solle das Projekt und die geplante Architektur bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung vorgestellt werden.
Wulff und TAG planen ein fünfstöckiges Bürogebäude mit Ziegelfassade und Fensterbändern - ein Muster, das bei vielen Neubauten in ganz Hamburg zu sehen ist. Das Kino soll nach dem Entwurf des Architekten Martin Murphy eine Fassade aus matten Glasstreifen erhalten. Von außen würde es so wirken, als seien die Stockwerke wie Brotscheiben übereinander gestapelt. Zwischen den Gebäuden, zur B 5 hin, läge ein öffentlicher Platz, der von den Restaurants im Erdgeschoss des Kinos mitgenutzt werden könnte. Unter den Gebäuden soll eine Tiefgarage mit 300 Parkplätzen entstehen. Das gegenüberliegende CCB-Parkhaus verfügt über weitere 600 Plätze.
"Im Zentrum von Bergedorf wird das nachvollzogen, was Bergedorf eigentlich längst ist: eine Großstadt", bewertete Krupp die Pläne. Seit fast zehn Jahren liege Bergedorf über der 100.000-Einwohner-Grenze, inzwischen seien es 115.000. Das Einzugsgebiet umfasse bis zu 250.000 Menschen. Krupp zufolge ist der Stadtteil einer von zehn weißen Flecken auf der Deutschlandkarte, wo es im Umkreis von zehn Kilometern kein adäquates Kino gebe. Mit sechs Sälen und 1.700 Plätzen könnten künftig populäre Filme zum Deutschlandstart hier gezeigt werden. "Wir sind in konkreten Gesprächen mit einem Betreiber", versicherte Wulff.
Krupp schätzt, dass die neuen Angebote das Verkehrsnetz belasten dürften. Um dem zu begegnen, sollen die Verkehrsknoten durchgängiger werden. Mit Bus und Bahn ist das Areal gut zu erreichen.
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