Stabhochsprung: Doch kein Weltrekord im Einkaufszentrum
Sportlich ist das Stabhochsprung-Meeting in einem Potsdamer Shoppingcenter nicht gerade ein Höhepunkt, aber den Zuschauern und Einkaufsbummlern gefällts offenbar.
Der Trend, Sportveranstaltungen an ungewöhnlichen Orten stattfinden zu lassen, ist ja schon seit Längerem zu beobachten. Ganz vorn mit dabei ist das Stabhochspringen: ob auf Marktplätzen mitten in der Stadt oder in einem Shoppingcenter. Im Potsdamer Sterncenter war es am Sonnabendabend wieder so weit: Zum zehnten Mal fand in der Mall ein Stabhochsprung-Meeting statt.
Mitten in der Ladenpassage wurde eine Sprunganlage aufgebaut. Auf den ersten Eindruck skurril, auf den zweiten aber eine nette Abwechslung für Shoppingverrückte und Sportler. Direkt neben der schmalen und erhöhten Anlaufbahn standen dicht gedrängt die Schaulustigen. Fast auf Augenhöhe mit der Latte konnte man von der ersten Etage aus den Athleten auf die Matte fliegen sehen. "Das ist besser als im Stadion. Wenn das Publikum so dicht dran ist und sie einen anfeuern, spornt das ganz schön an", sagte Nico Dieckmann, einziger deutscher Starter im Feld. Wie nah die Zuschauer dran waren, bekamen einige sogar zu spüren, als ein Stab nach einem Sprung ins Publikum fiel. Verletzt wurde aber niemand.
Seit einigen Jahren sind solche Veranstaltungen offizielle Wettkämpfe. Theoretisch könnte sogar jemand Weltrekord springen. "Das würde uns 20.000 bis 25.000 Euro kosten. Dann hätten wir ein Problem", sagte Peter Rieger, Geschäftsführer des Ausrichters SC Potsdam. Doch die sportliche Leistung der elf Streiter, die zwischen Parfümerien und Klamottenläden um den Sieg rangen, blieb unspektakulär. Schon 5,56 Meter reichten dem Tschechen Michael Balner zum Sieg. Wie der Sieger kam der Großteil der Teilnehmer aus Osteuropa. Drei Polen, zwei Tschechen, zwei Ukrainer, ein Russe - dazu ein Schwede und ein US-Amerikaner. Prominentester Teilnehmer war der Ukrainer Denys Yurchenko, der in Peking voriges Jahr Bronze gewann.
Er scheiterte allerdings frühzeitig. Siebzehn Athleten waren eigentlich gemeldet, aber sechs sagten meist aus Verletzungsgründen ab. Somit blieb auch nur ein Deutscher im Feld: Der Berliner Meister Nico Dieckmann von der LG Nord Berlin war in Potsdam auch der Lokalmatador. Von den in Deutschland bekannten Stabhochspringern wie Tim Lobinger, Danny Ecker oder Raphael Holzdeppe war nichts zu sehen. Die waren anderweitig eingebunden. "Schade, wir hätten gern einen von ihnen dabei gehabt", gestand Peter Rieger.
Trotz der fehlenden deutschen Stars konnten die Leute unterhalten werden. Ein umfangreiches Rahmenprogramm und eine dauerhafte musikalische Beschallung sorgten für Animation. Die Musik spielte auch während des Wettkampfs eine gewichtige Rolle. Die konnte sich nämlich jeder Athlet selbst aussuchen. Aber eigentlich war das nicht nötig, der Großteil klang ohnehin gleich. Dumpfe und harte Technobeats begleiteten fast jeden Springer. Einzige wohltuende Ausnahme bei diesem Klangteppich blieben die White Stripes, die den US-Amerikaner Jeremy Scott begleiteten.
Dass die Wahl der richtigen Begleitmusik nicht immer einfach ist, befand auch Nico Dieckmann. "Ich habe bestimmt zwei Monate überlegt, was ich nehmen soll", gestand er. Dabei steckte der 20-Jährige in einem richtigen Dilemma. "Meine Freundin wollte mehr House, ich mehr Rock." Herausgekommen ist eine Elektroversion von Lenny Kravitz "Are you gonna go my way". Ihm hilft es, glaubt der Berliner. "Mit Musik habe ich gleich dreimal mehr Power."
Trotz der Motivation reichte es für ihn nur zu 5,36 Meter. Keine persönliche Bestleistung und für den Sieg zu wenig. Doch hat Dieckmann in diesem Jahr Großes vor: die Leichtathletik-WM im August im Olympiastadion. "Das wäre ein Megatraum", sagt er, während er sich nach dem Wettkampf im Schnellrestaurant nebenan einen dicken Burger hineinstopft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!