piwik no script img

Staatsschutz schaut bei „Focus“ rein

■ Ermittler suchen nach Bad-Kleinen-Publikation undichte Stelle in eigenen Reihen

Berlin (taz) – Der Staatsschutz fahndet nervös nach unbekannten Nachrichtenhändlern in den eigenen Reihen. Vier Monate nach der Faksimile-Veröffentlichung eines Tagebuch-Ausrisses des in Bad Kleinen erschossenen Wolfgang Grams und eines Auswertungsberichts des Bundeskriminalamts im Nachrichtenmagazin Focus durchsuchte gestern eine zehnköpfige Abordnung der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums München Teile der Redaktion.

Nach Angaben des zuständigen Redakteurs Josef Hufelschulte wurden die von der Karlsruher Bundesanwaltschaft in Trab gesetzten Spürhunde fündig: Sie kassierten „Manuskripte, handschriftliche Aufzeichnungen und Schriftstücke“, darunter auch ein anonymes Angebot über brisante „Informationsträger aus zwei involvierten Staatsschutzbehörden“. Sehr interessiert zeigten sich die ungebetenen Besucher an Hufelschultes Reisekostenabrechnungen und an der Festplatte seines PCs. Die wurde mit einem eigens mitgebrachten Gerät kurzerhand vollständig oder teilweise abgesogen. Ursprünglich war der Focus-Redakteur, gegen den ein Ermittlungsverfahren „wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ läuft, für den kommenden Montag zum Verhör geladen worden. Wegen der besonderen Dringlichkeit der Sache habe man nun den direkten Weg gewählt, erklärte gestern der Staatsanwalt.

Hintergrund der späten Aktion ist nach Angaben der Focus-Redaktion ein bis heute unaufgeklärtes Angebot, das neben dem Münchner Magazin im vergangenen Sommer auch die Illustrierte Stern erreicht hatte. Darin hatten Unbekannte ein hochexplosives Info-Paket aus der Asservatenkammer des Staatsschutzes im Zusammenhang mit Bad Kleinen feilgeboten. Die von Focus schließlich im Faksimile abgedruckten Papiere dienten dabei als „Lockangebot“. Der eigentliche Nachrichtendeal kam allerdings nie zustande, obwohl sich beide Redaktionen durchaus aufgeschlossen gezeigt hatten. Das kann nicht verwundern: Geboten wurden unter anderem Details über den V-Mann Steinmetz, seine angebliche RAF- Verstrickung seit dem Attentat auf Deutsche-Bank-Chef Herrhausen, und schließlich der Name eines weiteren Zeugen des Schußwechsels von Bad Kleinen.

Die undichte Stelle im Apparat wird von Fachleuten im Bundeskriminalamt vermutet. Ein Sprecher der Wiesbadener Behörde erklärte gestern gegenüber der taz, er wisse weder von der Durchsuchungsaktion in München noch von Ermittlungen gegen Unbekannt im eigenen Haus. Gerd Rosenkranz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen