Staatsoper: Staatsoper erzeugt Dissonanzen
Soll das marode Traditionshaus einen modernen Zuschauerraum kriegen? Der Kulturstaatssekretär sagt Nein - und stellt sich gegen die Jury des Architektenwettbewerbs. Ausstellung zeigt alle Entwürfe.
Der Streit über den Umbau des Zuschauerraums der Staatsoper spitzt sich zu. Am Mittwoch hat Kulturstaatssekretär André Schmitz erstmals öffentlich Position bezogen: Er ist für einen behutsamen Umbau der Oper und damit gegen den von der Jury des Architektenwettbewerbs favorisierten modernen Innenraum. Bei der Eröffnung einer Ausstellung mit den acht eingereichten Entwürfen am Mittwochabend sagte Schmitz laut Redemanuskript, er sei dafür, "diesen einzigen historischen Innenraum in der Berliner Innenstadt" so weit wie möglich zu erhalten. Er sprach sich daher dafür aus, dass der Entwurf des Architekten Gerd Heise (oberes Bild) umgesetzt wird, der bei der Juryentscheidung nur auf dem zweiten Platz gelandet war.
Der Umbau der Staatsoper ab 2010 soll dreieinhalb Jahre dauern und 265 Millionen Euro kosten. Davon soll der Bund
200 Millionen Euro übernehmen, 35 Millionen das Land Berlin und 30 Millionen der Freundeskreis der Staatsoper um den Unternehmer Peter Dussmann. Während des Umbaus sollen die Aufführungen im Schiller Theater stattfinden. Die Hülle des 1742 eröffneten Baus soll unverändert bleiben. Das Gebäude wurde in seiner Geschichte mehrfach zerstört, zuletzt im Zweiten Weltkrieg. Der Architekt Richard Paulick orientierte sich beim Wiederaufbau in den 50er-Jahren am Rokoko der Zeit Friedrichs des Großen. Der Opernbetrieb wird seit langem durch Wasserschäden und technische Mängel erschwert.
Die Ausstellung mit den acht Entwürfen zum Umbau des Zuschauerraums in der Bauakademie gegenüber dem Auswärtigen Amt ist bis zum 19. Juni täglich von
12 bis 19 Uhr geöffnet. HEI
Den Gewinnerentwurf von Klaus Roth (unteres Bild) lehnt Schmitz dagegen ab. Diesem Entwurf könne er zwar ästhetisch etwas abgewinnen - wenn es um einen Neubau ginge, hätte das auch sein Favorit sein können. Aber "der Respekt vor dem historischen Ort, an dem in den letzten 50 Jahren Musikgeschichte geschrieben worden ist", gebiete einen vorsichtigen Umbau.
Der rot-rote Senat ist an die Entscheidung der Jury aus Architekten und Vertretern von Bund und Land nicht gebunden.
Der kulturpolitische Sprecher der Linkspartei im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Brauer, sprach sich für den modernen Gewinnerentwurf aus. Berlin erhielte damit "einen ästhetisch ansprechenden und nutzerfreundlichen Opernsaal, der auch international jedem Vergleich standhalten wird".
Mit der Ausstellung der Entwürfe in der Bauakademie hat die Öffentlichkeit nun in den nächsten zwei Wochen die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Nach Informationen der taz soll die Entscheidung in der Koalition darüber, welcher Entwurf umgesetzt wird, noch vor der Sommerpause fallen.
Beide Entwürfe lösen ein zentrales Problem der Staatsoper: Der Innenraum ist zu klein, das Klangbild entspricht nicht mehr den modernen Anforderungen. Derzeit ist daher eine Anlage installiert, die den Hall künstlich verlängert - das klingt aber nicht so wie ein wirklich größerer Raum, finden zumindest Liebhaber, darunter Generalmusikdirektor Daniel Barenboim. Der Umbau bietet zudem die Möglichkeit, die auf vielen Plätzen schlechte Sicht zu verbessern.
Der moderne Entwurf von Klaus Roth stellt den Zuschauer in den Mittelpunkt: Wie im Kino sollen die Sitzreihen künftig im Parkett leicht ansteigen, sodass es von jedem Platz aus die optimale Sicht gibt. Die Sitze in den oberen Rängen werden alle nach vorne statt in Richtung Saalmitte ausgerichtet, damit niemand mehr den Kopf drehen muss, um das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen. Und schließlich wird die Decke des Raums angehoben, um die Akustik zu verbessern. Der Kronleuchter soll zudem drei Paneelen weichen, die verstellbar sind und die Klänge aus dem Orchestergraben optimal in den Raum reflektieren.
Im konservativen Heise-Entwurf wird die Decke nur ganz leicht angehoben - aber sie soll mit vielen Löchern schalldurchlässig gemacht werden. Darüber befindet sich ein Hohlraum von 5,58 Metern bis zum Dach. Der Raum wird dadurch akustisch größer, sieht aber so groß aus wie bisher. Die Jury kritisierte, dass genau diese Diskrepanz zwischen Sein und Schein den Zuschauer mit geübtem Gehör verwirren könnte. Sandra Heupel, Sprecherin von Heises Architekturbüro, meint dagegen, dem Zuhörer würde das gar nicht auffallen - er würde nur den besseren Klang eines akustisch größeren Raumes hören.
Auch Staatssekretär Schmitz sieht in dem von ihm favorisierten Entwurf "Einschränkungen in der Akustik und den Sichtverhältnissen". Er wolle dies aber akzeptieren, "um dieses bedeutende bauhistorische Denkmal der Staatsoper zu bewahren".
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