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Staatskrise in HondurasDie Opfer der Putsch-Justiz

Der Vater des erschossenen Studenten Isis Oved Murillo beschuldigt das Militär, seinen Sohn ermordet zu haben - und muss selbst ins Gefängnis. Der Bericht einer Menschenrechtsdelegation.

David Murillo zeigt ein Foto seines am 5. Juli erschossenen Sohnes Isis. Bild: ap

"Ich war noch nie so stolz darauf, Honduranerin zu sein, wie jetzt", sagt Erica Cerna, eine 40-jährige Richterin in Juticalpa, der Hauptstadt des Departamento de Olancho. Dabei war es nicht nur die glühende Hitze von 30 Grad im Schatten, die ihr den Schweiß ins Gesicht treibt, sondern die blanke Wut über diese lästigen Ausländer, die es gewagt hatten, ein soeben von ihr gefälltes Urteil zu hinterfragen.

Diese "Ausländer" sind Teil einer 15-köpfigen Mission von Menschenrechtsorganisationen, die nach Honduras gekommen sind, um die Situation der Menschenrechte nach dem Staatsstreich zu erforschen. Ohne es zu wollen, waren sie damit sogar einer Aufforderung des De-facto-Präsidenten Roberto Micheletti nachgekommen. Er wollte, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission nach Honduras käme, um sich davon zu überzeugen, dass es in Honduras seit seiner Amtsübernahme keinerlei Menschenrechtsverletzungen gebe.

Der Ausflug der Delegation nach Olancho, dem größten Departamento von Honduras, hatte relativ gut begonnen - nur bei zwei Straßensperren war sie aufgehalten worden. Juticalpa macht den Eindruck einer besetzten Stadt: die mit Gewehren bewaffneten Soldaten schlendern über den Markt, naschen von der einen oder anderen Frucht oder stellen sich breitbeinig auf eine Kreuzung, um den Verkehr zu regeln.

Etwas außerhalb der Stadt liegt das Gefängnis von Juticalpa. Dort sitzt David Murillo ein, der Vater des 19-jährigen Isis Oved Murillo, der am 5. Juli durch einen Kopfschuss tödlich verletzt worden war. Einen Schuss, der übereinstimmenden Zeugenaussagen zufolge von Soldaten abgefeuert worden war. Das wird von der Armeeführung bestritten. Sie behauptet, nur Gummigeschosse abgefeuert zu haben. Dies wurde nun dem Vater des Opfers zum Verhängnis.

"Als ich im Büro von Ciprodeh [einer honduranischen Menschenrechtsorganisation] saß und dem Beamten der Staatsanwaltschaft die Patronen der Kugeln zeigte, durch die mein Sohn zur Tode kam und viele andere verletzt wurden, verließ dieser plötzlich den Raum und telefonierte fast eine Stunde lang auf seinem Handy", erinnert sich Murillo. "Dann nahm er mir meine Erklärung ab. Als ich auf die Straße trat, stand schon ein halbes Dutzend Polizeiautos da. Ich war so verwirrt, dass ich nicht einmal merkte, wie die Handschellen zuschnappten."

Ganz offensichtlich bestand das Spezifische und gewissermaßen auch Einzigartige dieses Putsches darin, dass die Armee die Medien - vor allem Radio- und Fernsehanstalten - unter Kontrolle bringen wollte, um den HonduranerInnen die "Verfassungsgemäßheit" dieses Staatsstreiches einzureden.

So geriet David Murillo alsbald in die Schlagzeilen der Zeitungen, die - wie alle großen Printmedien in Honduras - in der Hand jener Großfamilien sind, die den Putsch durch ihre Berichterstattung unterstützt haben. Sie behaupteten zum Beispiel, dass Hugo Chávez und Daniel Ortega die Macht in Honduras übernehmen würden und der Sozialismus ausgerufen werden würde.

Murillo, einer der Gründer der Umweltbewegung in Olancho, wird in den Schlagzeilen als mutmaßlicher Mörder angeprangert, der sich der Justiz entzogen hätte. "Das hat mir mehr wehgetan, als hier im Gefängnis zu sitzen", seufzt der Endvierziger und kämpft gegen die Tränen an. Die Vorwürfe gegen ihn gehen auf einen Vorfall von vor fünf Jahren zurück.

Damals hatte eine Nachbarin, mit der Murillo im Streit lag, ihm vorgeworfen, sie mit dem Tode bedroht zu haben. Die Sache ist nie untersucht worden, Murillo und die Nachbarin sind inzwischen befreundet. Murillo bekam damals die Auflage, regelmäßig vor den Justizbehören zu erscheinen. Dieser kommt er seit vier Jahren nicht mehr nach, ohne dafür behelligt worden zu sein. Er hatte die ganze Geschichte bereits vergessen - bis er nach der Beerdigung seines Sohnes am 8. Juli verhaftet wurde.

Im Falle Murillo sei der "Tatbestand der Rebellion gegen eine staatliche Behörde gegeben", sagt Luis Lobo, einer der drei Richter, die den Antrag der Verteidigung auf seine Freilassung ablehnten. Seine Augen leuchten förmlich, als er die Paragrafen 208 und 209 der Strafprozessordnung zitiert, in denen Säumnis gegenüber Behörden als Rebellion klassifiziert und mit Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet wird.

Ein anderer Fall, den die Menschenrechtskommission recherchierte, ist der des Bauernführers Fabio Ochoa, dem es zum Verhängnis wurde, dass er einige Wochen vor dem Putsch im Fernsehen vor der heraufziehenden Gefahr gewarnt hatte. Er wurde kurz darauf auf dem Heimweg von 18 Kugeln buchstäblich durchsiebt, überlebte aber bis heute, obwohl nach wie vor zwei Kugeln in seinem Kopf stecken.

Es ist erstaunlich, mit welchen juristischen Spitzfindigkeiten in Honduras heute jene Kräfte operieren, die es in der dunklen Vergangenheit der 1980er-Jahre kaum der Mühe wert fanden, die Opfer der von ihnen verübten Massaker zu verscharren.

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5 Kommentare

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  • AG
    Armin Gradl

    Heute wurde der langjährige Sprecher

    der Landarbeitergewerkschaft Via Campesina in Honduras verhaftet.

     

    Weiterer Anhänger Zelayas ermordet.

    Ein weiterer Unterstützer des Präsidenten wurde heute ermordet, der Bauernführer

    Rafael Alegría verhaftet.

    http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2009/jul/rafael_293847_alegria/

     

    Interview mit Rafael Alegría in Der Standard vom 16. Juli 2009

    http://derstandard.at/fs/1246542358056/Interview-Ich-fordere-die-Welt-auf-Lasst-uns-nicht-im-Stich?_seite=2&sap=2

     

    Seit dem Putsch wurden eine Reihe von Gewerkschaftsaktivisten ermordet. Die

    drei großen Dachverbände der Gewerkschaften in Honduras unterstützen die

    Forderung nach der Rückkehr des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya. Seit

    Donnerstag führen sie einen Generalstreik gegen die durch den Putsch an die Macht gelangte Regierung durch.Diese setzt sich mit immer drastischeren Methoden gegen die Forderungen der

    sozialen Bewegungen zur Wehr.

     

    Hier eine Zusammenfassung des Berichts der Internationalen

    Menschenrechtskommission, der vorgestern veröffentlicht wurde:

     

    Alarmierender Menschenrechtsbericht aus Honduras

    Außergerichtliche Hinrichtungen, Massenverhaftungen, Einschränkung der

    Meinungsfreiheit. Mit dem Putsch ist die Demokratie in Honduras suspendiert

     

    http://www.amerika21.de/amerika21/nachrichten

     

    Der Bericht (Spanisch) kann am Ende der Seite herunter geladen werden.

     

    Bitte verbreitet die Informationen weiter und überlegt, wie den Menschen geholfen werden kann.

     

    Damit in Zusammenhang steht in Deutschland die Politik der FDP. Der

    FDP-Außenexperte und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion

    Werner Hoyer unterstützt als einziger deutscher Politiker explizit die

    Putschregierung. Die Friedrich-Naumann-Stiftung ist in Honduras stark engagiert. Nach den

    Bundestagswahlen im September rechnet Vorsitzender Guido Westerwelle mit der

    Position des Außenministers.

     

    Gut gebrüllt, Loewe

    FDP: Freunde der Putschisten, Teil zwei

    http://www.vorwaerts.de/node/8024

     

    Petition gegen Politik der Naumann-Stiftung

    Appell gegen eine Unterstützung der Putschisten in Honduras. Unterstützung von

    Bundestagsabgeordneten. Aufruf kann unterzeichnet werden

    http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2009/jul/petition-9263537-naumann/

  • P
    Pascal

    Klar ist der Artikel aus einer linken Perspektive geschrieben. Ohne Frage. In der polarisierten Situation ist es aber schwer sich ein objektives Bild zu verschaffen. Klar ist jedoch, dass es Menschenrechtsverletzungen gibt, dass die Zeit genutzt wird um politische Gegner "abzusägen".

    Auch interessant finde ich die positivistische Deutung von Recht - wie im Artikel beschrieben - wie ich sie in Lateinamerika oft sehen kann. Nach dem Motto: "Was im Gesetz steht ist rechtens und nicht zu hinterfragen". So lässt sich das Gesetz sehr praktisch anwenden. Siehe auch in der Rechtfertigung des Staatsstreichs - mit welchem Hintergrund er begangen wurde ist sekundär. Für eine solche verfassungswidrige und gewalttätige Politik gibt es keine Rechtfertigung.

  • G
    Googy

    Herr Gabriel ist seit Jahren ein treues Sprachrohr der Ortegas (Nicarua) und damit alles anderes als objektiv in seiner Berichterstattung. Der Artikel ist total einseitig und stellt keinen positiven Beitrag zur komplexen Lage in Honduras dar, daher wundere ich mich schon, warum die taz so etwas druckt.

    Ich vermisse z.B. einen Bericht darüber, dass die kolumbianische FARC-Guerrilla offenbar von Schweden an Venezuela gelieferte Panzerabwehrraketen benutzt, Tatsache, die von der schwedischen Regierung bestätigt wurde und diese veranlasste, entsprechende Erklärungen von den venezolanischen Stellen einzufordern!

  • R
    Rolfrichard

    "So geriet David Murillo alsbald in die Schlagzeilen der Zeitungen, die - wie alle großen Printmedien in Honduras - in der Hand jener Großfamilien sind, die den Putsch durch ihre Berichterstattung unterstützt haben."

     

    Hier sieht man deutlich, wie die Massenmedien à la "Bild" zusammen mit den Generälen die Macht übernommen haben. Wenn knapp 20 Organisationen und Prominente in einem emeinsamen Appell gegen die Politik der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Honduras unterzeichnet haben, dann ist etwas faul an den dortigen neuen Machthaber - und an der dilletantischen "Außenpolitik" einer FDP. Die Erstunterzeichner, darunter mehrere Bundestagsabgeordnete der Grünen und der Linken, fordern Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf, sich von der Naumann-Stiftung zu distanzieren, die sich seit dem Staatsstreich am 28. Juni in Veröffentlichungen mehrfach auf die Seite der Putschisten gestellt hat. Zugleich drängen die Unterzeichner auf die Unterstützung der gewählten Regierung von Präsident Manuel Zelaya.

     

    Früher war es der CIA - heute eine Naumann-Stiftung, die rechte Staatsstreiche in Übersee unterstützt. Und Presse und willfährige Unterstützer denunzieren dabei Menschen, "die ganz links stehen". Schäbig!

  • AM
    Amadeus Meier

    Wie soll man einem Artikel glauben in seiner rührenden Schilderung des Schicksals von Herrn Murillo, wenn er sich nicht einmal Mühe gibt, auch nur den Anschein von Objektivität zu vermitteln?

     

    "Putsch-Justiz" und "Einreden" von Verfassungsgemäßheit, wo doch vieles dafür spricht, dass hier einem kalten Staatsstreich und einem Verfassungsbruch des abgesetzten Präsidenten vorgebeugt wurde. Und blanke Verleumdung im letzten Satz.

     

    Was sollen solche Artikel? Glaubhaftigkeit gleich Null, Informationswert daher auch. Oder halt: Wir wissen jetzt, dass der Autor ganz weit links steht, Hugo Chavez heimlich (oder offen?) bewundert und dass ihm Recht und Unrecht eigentlich egal sind, wenn nur das Ergebnis zum einen Vorurteil passt.