Staatsgründungen im Vergleich: Lange Wege zur Unabhängigkeit
Seit Ende des Kalten Kriegs drängen mehr Völker auf ihre nationale Souveränität. Kosovo schaffte es, die Südossetier müssen warten.
BERLIN taz | Um volle Unabhängigkeit zu erreichen, muss ein Volk drei Kriterien erfüllen: Es braucht eine Regierung, Kontrolle über ein Territorium und internationale Anerkennung. Tibet hat zum Beispiel eine Exilregierung (in Indien), diese verfügt aber über kein Territorium und vor allem keine Ankerkennung.
Das offiziell Republik China genannte Taiwan hingegen hat ein Territorium unter voller Kontrolle der eigenen Regierung, wird aber nur von knapp zwei Dutzend Staaten anerkannt. Dabei handelt es sich um kleine, unbedeutende Staaten wie Nauru, Nicaragua und den Vatikan, während alle gewichtigen Staaten Pekings Anspruch auf Taiwan („Ein-China-Politik“) anerkennen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde das Streben nach Unabhängigkeit in Ländern wie Eritrea (1993), Osttimor (2002) oder dem Südsudan (2011) durch Referenden besiegelt, wobei es in allen Fällen zuvor zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam. Das unabhängige Kosovo entstand 2008 als Folge des Krieges von 1999. 91 der 193 UN-Mitglieder haben den Staat mittlerweile anerkannt – Serbien zählt nicht dazu.
Im Fall Eritreas dauerte der Unabhängigkeitskrieg von 1961 bis 1991 – also bis kurz nach dem Sturz des äthiopischen Diktators Mengistu Haile Mariam. Nach einer militärischen Niederlage der Regierungstruppen im Kampf gegen die eritreische Befreiungsfront setzte diese das Recht auf Abhaltung eines Referendums durch, das im April 1993 stattfand. 99,8 Prozent der Wähler sprachen sich für die Unabhängigkeit aus. Am 28. Mai wurde der neue Staat Eritrea Mitglied der UNO.
Anders liegt der Fall Südossetien. Am 26. August 2008 erkannte der damalige russische Präsident Dmitri Medwedjew die Unabhängigkeit der zu Georgien gehörenden Region an. Dem vorausgegangen waren mehrtägige Kämpfe zwischen Russland und Georgien um Südossetien. Bereits 2006 hatte sich die Mehrheit der Einwohner Südossetiens, das auf georgischem Territorium liegt, in einem zweifelhaften Referendum für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Völkerrechtlich gehört die Region immer noch zu Georgien, untersteht de facto aber nicht der Zentralmacht in Tiflis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos