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Staatsbildung in Bosnien und HerzegowinaDer bosnische Knoten

Seit den Wahlen im Oktober ist es in Bosnien nicht gelungen, eine neue Regierung zu bilden. Jetzt hat die Bundesregierung die Initiative ergriffen.

Regierungschef Milorad Dodik (r.) will die serbische Republika Srpska zu einem faktisch unabhängigen Staat ausbauen und näher an Serbien und dessen Präsident Boris Tadic (l.) rücken. Bild: dapd

SPLIT taz | Wenn am Freitag, 10. Februar, der Ministerpräsident der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina Milorad Dodik von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen wird, schließt sich der Kreis der Gespräche, die Berlin in den letzten Wochen mit allen wichtigen bosnischen Politikern geführt hat. Ziel der deutschen Initiative ist es, wieder Bewegung in die festgefahrene innenpolitische Situation des Balkanlandes zu bringen.

Seit den Wahlen im Oktober 2010 ist es nicht gelungen, eine neue Regierung auf die Beine zu stellen. Eine sich verstärkende Instabilität auf dem Balkan ist jedoch nicht im Interesse Deutschlands und der EU.

Ob Merkel, Westerwelle und die Diplomaten des Auswärtigen Amtes im Zusammenwirken mit Brüssel erfolgreich den bosnischen Knoten lösen können, ist allerdings fraglich. Denn keine der größeren politischen Parteien im Lande ist auf der Grundlage der existierenden Verfassung in der Lage, eine Regierungskoalition zustandezubringen. Dazu müssten Parteien aus den drei großen Volksgruppen, den Bosniaken (Muslime), Serben (Orthdoxe) und Kroaten (Katholiken) für eine Zusammenarbeit gewonnen werden.

Doch vor allem die beiden sozialdemokratischen ehemaligen Bruderparteien in Bosnien und Herzegowina sind sich spinnefeind. Beide Parteien geben nach ihren Wahlsiegen in den Teilstaaten Republika Srpska und der bosniakisch-kroatischen Föderation den Ton an.

Während die multinational ausgerichtete "Sozialdemokratische Partei" SDP mit Hauptsitz in Sarajevo den gemeinsamen Staat Bosnien und Herzegowina durch eine Reihe von Verfassungsänderungen funktionsfähig machen will, blockieren die seit 2006 zu Nationalisten mutierten serbischen "Unabhängigen Sozialdemokraten" SNSD jegliche Aktivitäten in dieser Richtung.

Ihr Vorsitzender und Regierungschef Milorad Dodik will "seine" Republika Srpska zu einem von Sarajevo faktisch unabhängigen Staat ausbauen und näher an Serbien rücken. Deshalb will er am Freitag auch mit der Kanzlerin über den Ausbau bilateraler Wirtschaftsbeziehungen sprechen und damit letztlich die serbische Teilrepublik unabhängig vom bosnischen Gesamtstaat an die EU heranführen.

Verfassungsänderung wäre nötig

Viele Analytiker und Diplomaten sind davon überzeugt, dass nur eine Verfassungsänderung Bosnien und Herzegowina zu einem funktionsfähigen Staat machen kann. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg erklärte 2010 zudem, die Verfassung des Landes entspräche nicht europäischen Standards, weil sie Minderheiten benachteilige.

Die Verfassung des Friedensabkommens von 1995 kam den nationalistischen Parteien entgegen und legitimierte die mit Krieg durchgesetzte ethnische Teilung des Landes. Gegen die Forderung, den Gesamtstaat zu stärken und die beiden Teilstaaten zu schwächen, wehrt sich Dodik jedoch mit allen Mitteln und nationalistischer Rethorik. Mit Erfolg: Denn keine Regierung in den Hauptstädten Europas und der USA spricht öffentlich von einer großen Verfassungsreform.

Die Position Deutschlands und der EU ist allerdings in einem Punkt unmissverständlich klar: Nur mit dem Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina wird über die Integration in die EU verhandelt. Damit will man die verfeindeten Parteien zu einem Kompromiss zwingen, ohne eine umfassende Verfassungsreform anpacken zu müssen.

Berlin will so schnell wie möglich einen Kompromiß bei der Regierungsbildung und soll laut diplomatischen Quellen aus Brüssel Dodik den Vorschlag unterbreiten, eine Kommission beider Teilstaaten einzurichten. Diese soll im Vorfeld die nötigen Entscheidungen in Bezug auf die EU-Integration abklären. Bei der Frage der Visaregelung habe ein ähnliches nicht formalisiertes Verfahren ja auch funktioniert. Seit dem 1. Dezember 2010 dürfen die Bürger des Landes visafrei in die EU reisen.

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8 Kommentare

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  • B
    boSSanaC

    das Land heisst BOSNIEN BOSNA und wir auch immer so heißen...wem es in BOSNIEN nicht gefällt der kann gehn ...die sogenannte "republika S....." wird NIE unabhängig werden und falls sie das doch versuchen wird es einen erneuten krieg geben und nach dem krieg eine REPUBLIK BOSNA

  • H
    huhu

    @AcA

    du hast recht mit der Unabhängigkeit: aber die Serben haben doch schon Ihre Unabhängigkeit. Die Republik Serbien! Da können sie doch alle hin, wenn es ihnen der Staat Bosnien und Herzegowina nicht passt.

  • PS
    Post Scriptum

    Korrektur: natürlich ist Dodik nicht der Premierminister des Gesamtstaates - das ist sein Parteikumpel Spiric anscheinend.

    Aber er ist auch nicht mehr der Premier in der Teilrepublik Srpska, so viel ich weiß, sondern Präsident, wenn ich mich nicht irre?

  • PS
    Post Scriptum

    Entgegen den Behauptungen einiger Kommentatoren hier, ist hier nicht von „Serben“ die Rede, sondern vom Präsidenten einer Partei, dem aktuellen Präsidenten der Teilrepublik Srpska und dem Premierminister der noch-Regierung des Gesamtstaates - sieht aus wie zu viel Macht in einer Hand, wie Diktatur? Na, willkommen in der Wirklichkeit! Für alle Serben steht er nicht und stand er nie (auch wenn seine Partei die absolute Mehrheit in der besagten Teilrepublik hinter sich hat).

     

    Aber das können die besagten Kommentatoren wohl nicht verstehen: da wären wir beim Nationalismus, Nationalisten sehen das nicht, bzw. genieren sich, wenn man die Dinge beim Wort nennt. Oder sind die Serben, für die er nicht steht, keine Serben, Abtrünnige, Nestverschmutzer, hm?

    Eigentlich schon recht: ob er Nationalist sei oder nicht, sei dahingestellt, eine lukrative Masche, die für ihn gut läuft und an der er sich zum reichen Mann gemacht hat (wie konnte der kleine Diktator, der aufgeblähte Warlord, denn all seine Milliarden legal verdienen, gibt es denn einen legalen Weg?), ist der Nationalismus schon, auf den all die Dummen hereinfallen, die jetzt in der Teilrepublik mit den Kürzungen der kargen Sozialabgaben und den höheren Steuern für die Armen leben müssen (die letzte so tolle Sache, so viel ich weiß, die sich seine Regierung einfallen ließ). Aber Hauptsache die nationale Sache stimmt, nicht?

     

    Die unabhängigen Journalisten, das bisschen unabhängige Zivilgesellschaft, die paar unabhängige Ökonomen und Intellektuelle, die seit Jahren vergeblich darauf hinweisen, dass sich beide Teilrepubliken mit den bisherigen Eliten auf ein Bankrot hin bewegen, das sind alles Nestbeschmutzer, nicht? Die kleine Teilrepublik liegt damit voll im Trend, im restlichen Europa überwiegt die gleiche Dummheit. Man muss ja nur nach Belgien hinüberschauen. Obwohl das auch nicht zu vergleichen ist - wie möchte denn die kleine stolze Teilrepublik wirtschaftlich überleben, ohne die andere Teilrepublik, in der es doppelt so viel Bevölkerung = Arbeitsstellen gibt, wie wird sie denn die skandalös niedrigen Renten auszahlen (erwähnenswerte Sozialhilfe gibt es ja nicht), weiß denn jemand, auf welcher Stufe die stolze Regierung Dodiks den "offiziellen" Niedrigstlohn angesetzt hat, während der Diktator "offiziell" das 100fache verdient (vom illegalen unbesteuerten Gewinn aus der Korruption AG ganz zu schweigen)? Sich an Serbien anlehnen mit all der florierenden Wirtschaft in diesem Staat?

    Und von Zensur und Menschenrechten fange ich erst gar nicht an.

     

    Gibt es überhaupt irgendwelche Grenzen der Ignoranz und der selbstzerstörerischen Verblendung?

  • D
    donkizele

    @TAZa

    es ist falsch, dass er Nationalist ist. in der deutschen propaganda wird man schon als "serbischer nationalist" geboren. deutschland ist ein serbenfeindliches land. die serben sind das einzige volk das offensichtlich kein selbstbestimmungsrecht hat.

  • A
    AcA

    Richtig so ! Wenn jedes Volk im ehem. Jugoslawien das "Recht" auf Unabhängigkeit hat, haben die bosnischen Serben ebenfalls dieses Recht, so einfach ist das. Serben haben dieses Spiel von Unbhängigkeit in Bosnien nicht angefangen, jetzt muss es zu Ende gespielt werden. Das ist manchmal so wenn man hoch pokert oder in diesem Fall eine einseitige Politik, damals die der bosnischen-Moslems (Bosniaken), betreibt.

    Es geht nicht um Hass oder Sonstiges, aber es gibt keine gemeinsame Zukunft für diesen Staat, da die Interessen einfach zuweit ausseinander gegangen sind.

    Ausserdem muss sich schon gefragt werden, warum im Bosnien-Fall auf Zusammenhalt gepocht wird und in allen anderen Fällen alles mögliche unternommen wird (auch notfalls ein künstlicher Staat erschaffen wird) um eine Unabhängigkeit zu schaffen.

  • T
    TAZe

    @ Gabrijel

     

    Was an diesem Artikel soll den bitte propagandistisch sein?

     

    Ist es etwa falsch das Dodik die Republika Srpska in die Unabhängigkeit führen will?

  • G
    Gabrijel

    Könnt ihr bitte auch mal neutral über die Serben schreiben und eure Propaganda außen vor lassen?! Danke!