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Staatsanwalt singt Horst–Wessel–Lied

■ Ermittlungsverfahren gegen Trierer Staatsanwalt / Von Bearbeitung politischer Strafsachen suspendiert / „Schweigekartell“ gebrochen / Spiegel–Veröffentlichung führt zur sofortigen Suspendierung

Von Felix Kurz

Trier (taz) - Gegen den Trierer Staatsanwalt Horst Leisen hat der Leiter der Behörde, der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Hammen, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Paragraph 86a StGB) eingeleitet. In der jüngsten Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel hat die Trierer Richterin am Landgericht, Irmtrud Finkelgruen, zum ersten Mal das „Kartell des Schweigens“ gebrochen und darüber berichtet, daß der Staatsanwalt mehrfach in ihrer Anwesenheit das faschistische Horst–Wessel–Lied gesungen habe. Das Absingen dieses und anderer Nazi–Lieder sei häufig im Kollegenkreis erfolgt, sagte Frau Finkelgruen gegenüber der taz. Der Staatsanwalt habe sich außerdem über ihren jüdischen Namen lustig gemacht, berichtete die Juristin. Horst Leisen ist den taz–Lesern nicht unbekannt. Der für politische Delikte zuständige Staatsanwalt sorgte für bundesweite Schlagzeilen, als er in fanatischer Art und Weise in Trier Volkszählungsgegner verfolgte. Gegen den Trierer Regionalbeauftragten der Grünen beantragte er sogar eine Beugehaft bis zu sechs Monaten. Über 30 Hausdurchsuchungen gingen ebenfalls auf das Konto von Leisen. Daß der 35jährige Staatsanwalt das Horst–Wessel–Lied abgesungen habe, sei „ein offenes Geheimnis gewesen“, hieß es in Justizkreisen. So habe Leisen im Sommer vergangenen Jahres auf einer Geburtstagsfeier im Beisein zahlreicher Kollegen das faschistische Lied geschmettert. Das sei jedoch kein Einzelfall gewesen. Oft habe eine ganze Clique von Trierer Juristen „auch in Kneipen“ militaristische Nazi–Lieder gesungen. Der Leitende Oberstaatsanwalt Heinz Hammen teilte auf Anfrage der taz mit, daß man Leisen nach der Spiegel–Veröffentlichung sofort von seiner Aufgabe als politischer Staatsanwalt suspendiert und auch ein Dienstordnungsverfahren eingeleitet habe. Hammen betonte, er habe nichts von dem Leisen nachgesagten Verhalten gewußt. Seiner Meinung nach sei der Statsanwalt kein Rechtsradikaler. In Justizkreisen wurde allerdings die Vermutung geäußert, daß man die Stelle des politischen Staatsanwalts in der Trierer Justiz „gezielt“ mit Horst Leisen besetzt habe. Dazu sagte Hammen, er habe Leisen „rein nach der Geschäftsordnung“ mit dieser Aufgabe betraut. Der grüne Landtagsabgeordnete Gernot Rotter will jetzt in einer Anfrage wissen, seit wann das „rechtsradikale Treiben des Staatsanwalts“ bekannt gewesen sei.

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