Staatsanwalt hat Agrar-Promi im Auge: Der umtriebige Lothar Lampe
Der Chef des Diepholzer Landvolks hat mit 2,4 Millionen Euro aus dessen Vermögen seltsame Transaktionen getätigt.
BREMEN taz | Untreue? Lothar Lampe sagt nichts mehr. „Tútútútú“, das ist alles, was von ihm zu hören ist, die Verbindung ist abgebrochen, „tútútútú.“ Ein echter Sprücheklopfer war der 68-Jährige nie, auch als Kreislandwirt von Diepholz und Vorsitzender des dortigen Landvolkverbandes nicht, eher einer, der leise Deals eintütet, als Präsident des Gesamtverbandes der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände.
Aber Konkretes hat er dann schon immer in die Agrarjournalisten-Blöckchen diktiert, bis zum Ausscheiden im Herbst 2012. Am Freitag ist er nun auch vom Vorsitz des Stiftungsrats der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft (DSK) zurückgetreten, wegen der Vorwürfe: Untreue. Noch vergangene Woche hatte der – 2010 vom damaligen DBV-Chef Gert Sonnleitner mit der Andreas-Hermes-Medaille des Bauernverbandes (DBV) dekorierte – Agrarunternehmer beteuert: „Ich habe kein Geld für mich selbst abgezweigt“, – da schien die Lage noch übersichtlich – „nie auch nur einen Cent.“
Doch da war’s auch nur um eine Spende gegangen, hoch, sicher, und fragwürdig, aber nicht völlig abseitig: ’ne Million aus der Kasse der Landvolk-Dienstleistungsgesellschaft an die DSK. Die finanziert das Programm „Kunst fürs Dorf – Dörfer für die Kunst“ und fördert die Randbeblumung der Gasmaisfelder, um deren Akzeptanz zu erhöhen. Vorsitzende ist die Kanzlerin der Hamburger Hafencity-Uni, Stephanie Egerland-Rau, die bis zur Insolvenz die Geschäfte der Landmaschinenfirma Rabeagri in Bad Essen führte.
Die Ermittlungen haben im Herbst 2012 begonnen, so die Staatsanwaltschaft Verden. Auslöser war laut Syker Kreiszeitung eine anonyme Anzeige, also nicht vom neuen Diepholzer Landvolk-Chef Theodor Runge. Der Verdacht: Untreue. Das ist einer jener Vorwürfe, die oft verwerflicher klingen, als der Tatbestand ist. Untreue kann versehentlich passieren, durch einen Buchungsfehler.
Das lässt sich im Fall Lampe ausschließen.
Mittlerweile geht’s dabei um 2,4 Millionen. Die Summe nennt wenigstens ein Mitgliederrundbrief des Diepholzer Landvolks von Anfang Juni. Und längst geht’s auch um etliche Transaktionen. Geld en masse haben Landvolk-Kreisverbände, die ins Windparkgeschäft eingestiegen sind: Die Verbandsstruktur erleichtert die Flächenakquise. Die Fördermittel sprudeln.
Im Kreis Diepholz hat das toll geklappt – bis auf die Unregelmäßigkeiten: Planungsleistungen für einen nicht gebauten Windpark wurden mit 1,23 Millionen Euro vergütet. Dann erhielt die Berliner Sind GmbH, eine auch von landwirtschaftlicher Rentenbank und dem DBV geförderte Tochter des so lange von Lampe geleiteten Arbeitgeberverbandes, 90.000 Euro. Dabei betreibt sie bloß eine Online-Datenbank, um Erntehelfer in Ost- und Südosteuropa anzuwerben.
Und dann flossen 100.000 Euro an die Edmund Rehwinkel-Stiftung. Rehwinkel, Rechtsextremist und unter Adenauer Präsident des Bauernverbandes, war 1967 der erste bundesrepublikanische Spitzenfunktionär, der zur Wahl der NPD aufrief. Der DBV fördert unter seinem Namen agrar oder ernährungswissenschaftliche Master-Studierende.
Im Vorstand der Stiftung sitzen Rentenbank-Vorstandssprecher Horst Reinhardt, Ilse Aigners Staatssekretär Robert Kloos, der im Verwaltungsrat der Rentenbank sitzt, Sonnleitner, der mittlerweile beim Traktor-Riesen Agco wirkt, sowie der stellvertretende DBV-Generalsekretär. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Stiftung die Geldwäscherichtlinie der EU befolgt.
„Es gibt in dem Verfahren bislang nur einen einzelnen Beschuldigten“, so ein Sprecher der Verdener Staatsanwaltschaft. Mindestens als Zeugen aber kommen etliche Spitzenfunktionäre des DBV und seiner Institutionen, Ausgründungen, Stiftungen und Töchter in Betracht, über die Lampe Geldströme lenkte. Es ist wie ein Gewebe, das in dem Moment anfängt aufzufasern, in dem einer seiner Knotenpunkte beschädigt wird.
Eine „Diskussion um die Rolle der Bauernverbands-Spitze und ihrer Verfilzung mit Agrar, Ernährungs, und Energie-Industrie führen“, fordert nun Ottmar Ilchmann, niedersächsischer Landesvorsitzender der DBV-kritischen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL). So weit ist das Diepholzer Landvolk bislang noch nicht. Wenigstens aber verspricht der Vorstand des Kreisverbandes, er werde „uneingeschränkt mit der Staatsanwaltschaft kooperieren“. Das ist überall dort eine Selbstverständlichkeit, wo man nicht davon ausgeht, dass eine rechtsstaatsferne Parallelgesellschaft am Werke ist.
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