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Sprühend vor Leben...

■ Die australische Komponistin Liza Lim beim „Bremer Podium 7“: Hinter asiatischer Strenge verbirgt sich grelle, lustvolle Musik

So wenig die 1966 geborene australische Komponistin Liza Lim im Workshop über sich persönlich sagen wollte, so sehr ihre Werkbeschreibungen sich auf einer schwer nachvollziehbaren abstrakten Ebene bewegten, so grell, sinnlich und lustvoll klingt ihre Musik. Das Bremer Podium war geprägt von diesem Eindruck. Die Traditionen, auf die Liza Lim sich bezieht, kommen aus dem asiatischen Raum: ihre Musik ist voll von Mikrointervallen und Tonbehandlungen, die das Innere eines Tones zu öffnen versuchen: Glissandi, Triller, unterschiedliche Vibrati und dergleichen mehr. Deutlich wird das in „Koto“, einem 1993 geschriebenen Ensemblestück, das ganz besonders von den Spieltechniken des Koto-Instrumentes lebt, die einen hörbar ersterbenden Klang der gezupften Saiten erzeugen. Ihre Stücke wirken ganz bildlich wie ein Wuchern immer neuer Linien und Verflechtungen, Liza Lim hat für diesen Vorgang den Begriff „Wurzelwerk“ benutzt.

Auch in einem zweiten Stück spielt das „Koto“ eine vielleicht noch wichtigere Rolle: in „Burning House“ für Stimme und Koto. Mit der anrührenden Interpretation von Satsuki Odamura konnte man gut verfolgen, daß dieses Stück in traditioneller japanischer Koto-Notation geschrieben ist, einem Tabulatursystem, das die Bewegungsabläufe des Musikers zur Hervorbringung von Klängen anzeigt. Der dem Stück zugrundeliegende Text ist ein Gedicht der japanischen Dichterin Izumi Shikibu aus dem 10. Jahrhundert, dessen lyrische Erotik und gleichzeitige religiöse Dimension von der Kotospielerin selbst sehr dicht psalmodierend interpretiert wurde.

Mit der Uraufführung von „Inguz Fertility“ für Klarinette und Violoncello – mit unglaublicher Intensität gespielt von Rosanne Hunt und Carl Rosmann – gelang Liza Lim der Versuch, eine helle, lichte, auch frohe Atmosphäre zu schaffen, deren Basis immer ein schier unerschöpflicher Einfallsreichtum von Klängen ist. Mit großer Spannung konnte man ein eigentlich sehr einfaches Konstruktionsprinzip verfolgen: das Verschränken der beiden Instrumente und Wiederauseinandergehen.

Höhepunkt des Konzertes, bei dem das Publikum mit dem australischen „Elision Ensemble“ unter der Leitung von Sandro Gorli ein brillantes Ensemble Neuer Musik kennenlernen konnte, war die Aufführung des halbstündigen „Garden of Early Desire“ für Ensemble. Jedes Instrument scheint mit immer deutlicheren Gesten – wie Klagen, Freude, Explodieren, Verstummen, Attacken – eine Geschichte zu erzählen. Mit einem enorm zwingenden Zug nach vorn – meditativen Stillstand gibt es in der Musik von Liza Lim nahezu nicht – verdichten sich diese Geschichten zu einem Gesamtbild: Man meint wie in einem Hexensabbat wirbelnde archaische Fantasiegestalten zu sehen. „Es gibt den Jongleur, die alchimistisch quecksilbrige Figur, die der Dialektik der Extreme verschrieben ist, die Hohepriesterin, das Sinnbild der Initiation und des Sammelns energiespendender Kräfte - es gibt die Kaiserin, fruchtbar, heidnisch, sprühend vor Leben...“, sagt Liza Lim zu ihrem explosiven Werk. Viel Beifall im ausverkauften Sendesaal von Radio Bremen.

Ute Schalz-Laurenze

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