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Spritzen-Schizophrenie

■ Ab Juni im offenen Vollzug: Spritzen-Automaten für verbotenen Drogenkonsum

„Der Konsum von Drogen wird durch die Ausgabe von sterilen Spritzen“ nicht gestattet, schreibt die Justizbehörde in einem Info-Flugblatt an die Insassen der JVA Vierlande. Zwei Seiten lang versucht der Justizbeamte Brünig den Häftlingen die drogenpolitische Schizophrenie in den Haftanstalten zu erklären: In einem im Juni beginnenden Pilotprojekt sollen im offenen Vollzug – wo überhaupt keine Dringlichkeit besteht – Spritzenautomaten für heroinabhängige Knackies aufgestellt werden. Die Bekämpfung der Knast-Drogenszene ist aber weiterhin Programm.

„Es bleibt bis zum Beginn der Spritzenausgabe dabei, daß die Mitarbeiter gefundene Spritzen einziehen“, so das Schreiben. Danach sollen sterile Nadeln gezogen werden können, um die Infektionsgefahr für Aids und andere schwere Krankheiten zu verhindern. „Der Tausch steriler Einwegspritzen ist ausschließlich darauf ausgerichtet, zusätzliche gesundheitliche Risiken zu vermindern.“ Wer sich also dabei erwischen läßt, wie er die Einwegspritzen zum Einsatz bringt oder Heroin für den eigenen Konsum beschafft – Drogen sind in allen Anstalten erhältlich – muß weiterhin mit Repressionen rechnen.

Gleichzeitig werden die Gefangenen aufgefordert, Vorschläge für die Plazierung des Spritzenautomaten zu machen und freiwillig an einer Begleitstudie teilzunehmen. Die Studie wird sich unter anderem mit der abwegigen These beschäftigen, ob Spritzentausch die Zahl der Junkies erhöht. „Die größten Schwierigkeiten sehen viele Fachleute aber darin“, schreibt Brünig, „daß sowohl Mitarbeiter wie die Insassen die Ausgabe von Spritzen als ein Signal mißverstehen könnten, der Drogenkonsum und -besitz sei nunmehr erlaubt.“

Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) will mit dem Modellprojekt den Vollzugsbeamten – die in der Vergangenheit mit passivem Widerstand in Sachen Spritzenautomaten gedroht hatten – zeigen, daß Nadeln nicht als Waffen mißbraucht werden.

Silke Mertins

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