: Spritpreise in Bolivien explodieren
PREISE Die Regierung Morales kürzt Spritsubventionen. Der verteuerte sich daraufhin um bis zu 83 Prozent, die Preise für Bustickets verdoppelten sich. Die Opposition sieht Verstaatlichungspolitik gescheitert
BUENOS AIRES taz | Mit einem „Gasolinazo“ überraschte der bolivianische Präsident seine Landsleute noch schnell im alten Jahr. So taufte die bolivianische Presse, was Evo Morales letzten Sonntag per Dekret angeordnet hatte: die sofortige Streichung der Subventionen für Benzin und Dieseltreibstoffe. Gut 300 Millionen Euro jährlich werden ab sofort gespart.
Morales begründete dies vor allem mit dem Treibstoffschmuggel in die Nachbarländer. Gut ein Drittel der staatlichen Subventionen fließen direkt zu den Nachbarn. Denn dort sei der Sprit teurer als in Bolivien. Es könne nicht sein, dass die Nachbarländer subventioniert würden und die heimische Wirtschaft ausblute, so der Präsident. Ein höherer Preis werde den illegalen Treibstoffabfluss beenden. Die Treibstoffpreise stiegen sofort um 57 bis 83 Prozent. Wer nach der Verkündung des Dekrets noch schnell volltanken wollte, hatte meist schon Pech. Schnell war der Preis für einen Liter Benzin von umgerechnet 37 auf 69 Cent und der für einen Liter Dieselkraftstoff von 37 auf 73 Cent geklettert. Das entspricht dem Preisniveau der Nachbarstaaten Argentinien, Brasilien, Chile und Peru.
Als Reaktion rief die Fahrer- und Transportgewerkschaft Confederación Sindical de Choferes de Bolivia (CCHB) zu einem Generalstreik auf und forderte eine Verdopplung der Fahrpreise, weil die Busse am härtesten von den Subventionsstreichungen betroffen seien.
Von einem landesweiten Generalstreik war am Montag jedoch wenig zu spüren, an den meisten Busbahnhöfen herrschte normaler Betrieb. Allerdings mussten Fahrgäste meist das Doppelte des bisherigen Ticketpreises bezahlen. Um ein Beförderungschaos zu vermeiden, schickte die Regierung vorsorglich die Armee mit ihren Lastwagen auf die Busrouten. Auf den Ladeflächen der Armeefahrzeuge wurden wartende Fahrgäste transportiert. Am Dienstag dann genehmigte die staatliche Transportaufsichtsbehörde für die öffentlichen Verkehrsmittel eine Fahrpreiserhöhung von 30 Prozent. Bei Verstößen gegen die Obergrenze sollten die Fahrgäste umgehend die Behörde informieren. Zwar ruderte die Fahrergewerkschaft CCHB am selben Tag zurück und der Nahverkehr normalisierte sich, dennoch beharrte sie auf einer Erhöhung der Fahrpreise um mindestens 45 Prozent.
Für den Abgeordneten Fabián Yaksic vom oppositionellen Movimiento Sin Miedo (Bewegung ohne Angst) offenbart das Präsidentendekret vor allem das Scheitern der Verstaatlichungspolitik bei der Gas- und Ölförderung. Präsident Morales hatte am 1. Mai 2006 die Verstaatlichung der Erdgas- und Ölindustrie angeordnet. Einheiten der Armee besetzten daraufhin Raffinerien und Förderanlagen ausländischer Gas- und Ölfirmen. Alles musste der staatlichen Ölgesellschaft YPFB übergeben werden.
Teil dieser Verstaatlichungspolitik war das Versprechen, dass die Preise von Treibstoff aus Gas und Öl eingefroren bleiben. Über vier Jahre später produziert die staatlichen Ölgesellschaft YPFB jedoch noch immer nicht genug Benzin und Dieselkraftstoff, um die heimische Nachfrage zu decken. Notwendige Investitionen wurden wegen Geldmangels nicht vorgenommen. Bolivien bleibt auf teure Importe angewiesen.
Mit dem Preisanstieg in dieser „brutalen Weise“ bricht die Regierung das Versprechen, so Yaksic. Nötig sei jetzt eine Neuorientierung der Leitlinien der staatlichen Gas- und Ölpolitik. Ruhe ist deshalb nicht in Sicht. Schon machen Berichte von erhöhten Preisen in den Supermärkten, den Restaurants und bei Baumaterial wie Holz und Zement die Runde. Für die kommenden Tage kündigte der mächtige Gewerkschaftsdachverband Central Obrera Boliviana (COB) Protestmärsche an. JÜRGEN VOGT