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Archiv-Artikel

weinprobe Sprengkraft auf leisen Sohlen

GRÜNER VELTLINER

In und außerhalb Österreichs spricht man gerne und am liebsten von der Wachau, wenn es um große Rieslinge und Grüne Veltliner geht. Andere Donauweine finden in den Gesprächen der Schicken und Schönen nicht statt, weil sie kaum wahrgenommen, geschweige denn getrunken werden.

Dabei sind inzwischen viele Weine, die zwar ebenfalls an der Donau oder einem ihrer Nebenflüsse, nicht aber in den dem Urgestein abgerungenen Terrassen der engen Wachau wachsen, interessanter, spannender, aufregender. Der Individualisierungsgrad der besten Weine aus den östlich der Wachau sich anschließenden Weinbautäler von Krems, Kamp und Traisen ist, verglichen mit den körperreichen und zumeist stereotyp nach gelbem Steinobst schmeckenden Wachauer Smaragdweinen, oftmals höher, ihr Geschmack tiefgründiger, vornehmer, differenzierter, ihr Genuss animierender, bekömmlicher.

Es scheint, als ruhten sich die Wachauer Winzer auf dem Erreichten aus und übten sich in verlässlicher Routine, während sich viele Kollegen in den Nachbargebieten fortlaufend selbst übertreffen. So kommen heute einige der eindrücklichsten und eigenständigsten Weißweine Österreichs nicht aus der Wachau, sondern vom Wagram, dem stufenartig gen Norden ansteigenden Urufer der Ur-Donau. Diese These birgt einige Sprengkraft, denn die auf mächtigen Lössböden wachsenden Wagram-Veltliner und -Rieslinge werden häufig als üppig, breit und fett beschrieben – und fungieren damit als Antithese zur mineralisch-kühlen, kristallin-klaren Wachauer Weinstilistik.

Wer je einen Grünen Veltliner von Bernhard Ott aus Feuersbrunn getrunken hat, weiß, wie unzutreffend diese Charakterisierung ist. Doch man muss nicht gleich das Genialische bemühen, um die Eignung des Wagrams für die Erzeugung besonders extraktreicher, fruchtintensiver und feinnervig-mineralischer Weine zu beschreiben. Von bemerkenswerter Geschmacksfülle und pikant-würziger Art sind die charaktervollen Veltliner von Hans Czerny, der sein in Fels befindliches Weingut gerade auf biodynamische Bewirtschaftung umstellt und aufgrund seines langsamen und schonenden Ausbaus mit die expressivsten Donauweine erzeugt.

Von vielen Spitzenweinen sei der Grüne Veltliner aus der Riede Fumberg besonders empfohlen: reif und vielschichtig im Duft, mit Schmelz, Substanz und straffem Körper, nachhaltig und pikant im Abgang – kurzum ein vorzüglicher Weißwein von 30-jährigen Rebstöcken, dem lässige zwölf Volumenprozent Alkohol genügen, um sich mit Nachdruck zu empfehlen.

2005 Grüner Veltliner Fumberg, Wimmer-Czerny, Wagram/Österreich. 8,30 Euro, erhältlich in der Weinhandlung Ottenthal, Ludwigkirchstr. 9, 10719 Berlin, Tel.: (0 30) 88 77 66 83.

ZWEIGELT

Selbst ein heißer Sommer kann einen Rotwein vertragen, so er leicht und fruchtintensiv ist, ohne gleich kitschig-süß zu sein. Der kirschfruchtige, würzige, schwarzen Pfeffer, Wacholder und Sandelholz zitierende Zweigelt des gemütlichen Urgrünen und Bio-Veritas-Mitglieds Hans Diwald aus Großriedenthal am Wagram ist der rote Hochsommerwein des Jahres.

Er schmeckt erfrischend saftig und betont heiter, man trinkt ihn am besten flaschenweise und gut gekühlt zu Gegrilltem oder zu Käse, oder wann immer man durstig ist. Seine 13 Prozent Alkohol kommen auf leisen Sohlen und schmerzen ebenso wenig wie sein Preis. Vergessen Sie allen andächtigen Rotweinkult, trinken Sie lieber einen!

Zweigelt, Diwald, Wagram/Österreich. 6,90 Euro, erhältlich in der Weinhandlung Alles fließt, Lausitzer Straße 1, 10999 Berlin, Tel.: (0 30) 612 70 11. STEPHAN REINHARDT