Spreepark: Gern auch ein Streichelzoo
Mit der Ruhe für die Dinos im Plänterwald ist es möglicherweise bald vorbei. Am Mittwoch wird das Erbbaurecht für den einstigen Vergnügungspark dort versteigert.
Ein Riesenrad, das bei jedem Windstoß schaurig knarrt, und Teile von verwitterten Dinosauriern, die im wuchernden Gras liegen – es gibt in Berlin wenige so verwunschene Orte wie den Spreepark im Plänterwald. Bald ist es damit möglicherweise vorbei. Denn der Spreepark kommt unter den Hammer. Am Amtsgericht Köpenick wird am Mittwoch das Erbbaurecht an dem landeseigenen Grundstück versteigert.
Dieses Erbbaurecht gilt bis 2065. Das Mindestgebot liegt bei 800.000 Euro. Zusätzlich muss ein Erwerber die Schulden des Spreeparks beim Finanzamt übernehmen, das die Zwangsversteigerung beantragt hatte.
Rainer Hölmer (SPD) ist Baustadtrat von Treptow-Köpenick und weiß von „verschiedenen Interessenten“, die sich nach dem Areal erkundigt hätten. Darunter sollen dem Vernehmen nach eine Reederei und mehrere Rummelplatzunternehmer sein. Für Land und Bezirk steht fest, dass in den Spreepark wieder ein Freizeit- oder Kulturpark einziehen soll. Das sähe der Bebauungsplan vor, und den will der Bezirk nicht ändern. Wohnungsbau werde es definitiv nicht geben, sagt Hölmer: „Bei der Auslegung, was ein Freizeitpark ist, sind wir kreativ. Das muss kein Karussellbetrieb sein. Ein Theater- und Konzertort oder ein Streichelzoo wären mir lieber.“
Der Spreepark im Plänterwald hat eine wechselvolle Geschichte:
1969 öffnete der Park als "Kulturpark Plänterwald". Generationen von Kindern drehten im einzigen ständigen Freizeitpark der DDR Runden mit Riesenrad und Achterbahn.
Nach der Wende schloss das Land Berlin einen Erbbaurechtsvertrag mit der Spreepark-GmbH der Familie Pia und Norbert Witte. Der Senat unter Eberhard Diepgen (CDU) verbürgte sich mit einer Grundschuld von 20 Millionen Euro, die später noch einmal erhöht wurde, für die Spreepark GmbH, die CDU-Großspender war. Doch die Wittes fuhren den Rummel durch Misswirtschaft in den Ruin. Als die Bankkredite aufgebraucht waren, ging es nur noch bergab.
Filmreife Flucht 2002: Mit mehreren nur geleasten Fahrgeschäften setzten sich die Wittes nach Peru ab. Seitdem gammelt der Spreepark von sich hin, und beim Versuch, in Perus Hauptstadt Lima einen Freizeitpark aufzubauen, scheiterten die Wittes.
2004 wurde Norbert Witte vom Berliner Landgericht zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Er hatte versucht, in einem Fahrgeschäft 167 Kilo Kokain von Peru nach Deutschland zu schmuggeln. Die Ehe der Wittes ging in die Brüche.
Seit 2002 scheiterten alle Versuche des Landes Berlin, den Spreepark zu verkaufen. Haupthindernis war das Ansinnen des Landes, ein Erwerber müsse die Bankschulden der Familie Witte übernehmen. Erst mit der Zwangsversteigerung am Mittwoch ist der Weg frei für einen Verkauf ohne Übernahme der Bankschulden. MARINA MAI
Sehr sympathisch ist dem Stadtrat eine Initiative junger Leute, die via Crowdfunding eine Bürgerstiftung gründen wollen, um dem Spreepark neues Leben einzuhauchen. Die Initiative, die erst seit zwei Wochen besteht, räumt selbst ein, noch kein Konzept zu haben. Gedacht sei aber etwa an Bienenzucht und einen Töpfermarkt. „Ob eine so kurzfristig gestartete Initiative erfolgreich sein kann, ist eine andere Frage“, sagt Hölmer.
Etwas Leben im Park
Die Bürgerinitiative „Pro Plänterwald“, die seit Jahren alle Entwicklungen um den Spreepark kritisch begleitet, fordert Finanzsenator Ulrich Nußbaum (SPD) auf, selbst ein Gebot in den Ring zu werfen. Nur so, sagt Sprecher Klaus Mannewitz, hätte Berlin die Zukunft des Spreeparks in der Hand und könne ausschließen, dass Spinner und Spekulanten den Zuschlag bekämen.
Eng mit dem Spreepark verbunden ist die Geschichte der Familie Witte, die den Park in den Ruin führte (siehe Text unten). Pia Witte war es aber auch, die dem Spreepark in den letzten Jahren wieder etwas Leben einhauchte. Seit das Insolvenzverfahren 2008 mangels Masse eingestellt wurde, ging die Verfügung über den Park an sie zurück. Denn auf dem Papier war sie Vertragspartnerin des Landes Berlin, dem nach wie vor der Grund und Boden gehört. Im Sommer dreht wieder eine kleine Bahn die Runde durch den Park. Eine Witte-Tochter verkauft Kaffee und Bratwürste.
Der Spreepark mit seinen Ruinen der Fahrgeschäfte inmitten eines Feuchtbiotops, wo sich die Natur ein Stück Stadtlandschaft zurückgeholt hat, ist zu einer begehrten Filmkulisse geworden. Szenen mehrerer Hollywood-Streifen wurden hier gedreht. Der Spreepark war auch Kulisse für Teile der ZDF-Kinderserie „Löwenzahn“ und das Filmporträt „Joschka und Herr Fischer“.
Seit einigen Jahren finden an Wochenenden regelmäßig Führungen statt, und in der warmen Jahreszeit gibt es Kulturevents wie „Spuk unterm Riesenrad“. Auch für private Fotoshootings und studentische Filmübungen wird der Park gern vermietet.
Dazu liegt der taz der Schriftverkehr eines Mannes vor, der für private Fotoaufnahmen 195 Euro Miete pro Stunde plus 36 Euro Security-Kosten zahlen sollte. Von diesen Einnahmen sieht das Land Berlin keinen Cent, sagt Irina Dähne vom Liegenschaftsfonds. „Frau Witte zahlt keine Schulden ab. Sie zahlt nicht einmal die laufende Pacht. Sie erklärt, sie habe kein Geld.“
So hört sich die Geschichte wie ein neuer Spuk unterm Riesenrad an: Die Einnahmen kassiert nicht Pia Witte, sondern eine Wachschutzfirma, die das Gelände bewacht und es im Gegenzug vermarktet. Firmeninhaber ist Gerd Emge, neuer Lebensabschnittsgefährte von Pia Witte.
Ist dem Land Berlin da bereits unbemerkt ein neuer Norbert Witte gewachsen, der ihm auf dem Kopf herumtanzt? Ein Vorwurf, den Emge weit von sich weist: „Ich habe pro Monat allein 5.000 Euro an Personalkosten für den Wachschutz. Die Einnahmen sind geringer.“ Emge macht kein Geheimnis aus seinem Interesse am Erwerb des Spreeparks. „Es könnte sein, dass ich mitsteigere. Aber noch ist einiges zu klären. Es wird ja nur der Erbbaurechtsvertrag versteigert, und der ist nicht viel wert“, sagt er.
Baustadtrat Hölmer hält von einem Erwerber Emge wenig. „Falls Herr Emge die Fähigkeit hat, einen Freizeitpark zu betreiben, hat er sie bisher gut verborgen.“