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Archiv-Artikel

Sprechstunden und Schlagstöcke

Ein NPD-Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern steht im Verdacht, Rechtsrock-CDs und andere szenetypische Devotionalien über sein Bürgerbüro zu vertreiben. Jetzt ermittelt das Parlamentspräsidium

Nebentätigkeiten darf jeder Parlamentarier nachgehen, nur anmelden muss er sie bei der jeweiligen Verwaltung. Für den mecklenburg-vorpommerschen NPD-Landtagsabgeordneten Birger Lüssow könnte seine zusätzliche Beschäftigung dennoch ein rechtliches Nachspiel haben: Über die Faxnummer seines „Bürgerbüros“ in Rostock kann auch das Angebot des Szeneladens „Dickkoepp“ bestellt werden: Neben Rechtsrock-CDs und einschlägig beliebten Bekleidungsmarken finden sich in dessen Programm auch verschiedene Teleskopabwehrstöcke, Pfeffersprays und Sturmhauben.

„Die Nummern sind identisch“, bestätigt ein Sprecher der Schweriner Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD), den Hinweisen würde nun nachgegangen. Sollte sich bestätigten, dass einer ihrer Abgeordneten finanzielle Mittel zweckentfremdet hat, erklärt Bretschneider, dann werde das für die NPD-Fraktion finanzielle Konsequenzen haben.

Das NDR-Nordmagazin hatte am Mittwoch über das Internetangebot des Geschäftes berichtet. In der Sparte: „Sicherheit und Straße“ finden sich Schlagstöcke für 20 bis 25 Euro. Für weitere acht Euro bekommt man einen Mundschutz, für 29 Euro einen Schlaghandschuh. Passend dazu werden auch Schlüsselanhänger mit klaren Botschaften angeboten: „hart und zäh“ oder auch „klagt nicht, kämpft!“.

Per Presseerklärung versichert der Abgeordnete Lüssow, der auch zur „Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock“ gehört, der Vorwurf der Zweckentfremdung seines Anschlusses sei „Satire“: Bürgerbüro und Laden seien „räumlich und finanziell getrennt“, erklärt der 34-Jährige, und das Telefon im Laden würde „privat bezahlt“.

Eröffnet hat Lüssow den Laden im alternativen Stadtteil Kröpeliner Tor-Vorstadt nicht selbst: Am 15. Juni 2007 schlossen Thorsten de Vries und Torben Klebe, die aus der Hamburger Neonazi-Szene stammten, die Tür des Geschäftes erstmals auf. Damals noch unter dem Namen „East Coast Corner“ boten sie das szenetypische Angebot zwischen Rechtsrock und Szenebekleidung an.

Seither kam es in dem Viertel immer wieder zu Protestaktionen – von Demonstrationen und spontan organisierten „Flashmobs“ bis zu Besuchen vermeintlicher Hochzeitsgesellschaften, wo das Brautpaar dann Schilder wie „Lieber Gatte statt Naziglatze“ hochhielt. Auch Farb- und Buttersäureanschläge wurden auf den Laden verübt, nachdem bekannt wurde, dass der Vermieter den Vertrag nicht kündigen würde.

Die NPD-Landtagsfraktion um Udo Pastörs sorgte sich sehr um das Geschäft, richtete eine Ortsbegehung aus, trug Unterstützungsaufmärsche mit. Um die eventuellen finanziellen Sorgen des Vermieters zu mildern, dürfte Lüssow dort sein Bürgerbüro angemietet haben. Später übernahm er dann das Geschäft – dessen Programm beim Alten blieb: T-Shirts der Marke „Pro Violence“ mit dem Aufdruck „cops better run“, Anstecknadeln „Burn Israel Burn“ oder auch CDs „Heimattreue Deutsche Jugend: Sturm in die Herzen“. ANDREAS SPEIT