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Sprechstunde für IllegalisierteBremen will Humanität outsourcen

Bremens medizinische Hilfe für Menschen ohne Krankenversicherung ist richtungweisend. Künftig soll sie von externen Trägern abgewickelt werden.

Möchten manchmal anonym bleiben: Patientinnen in humanitären Sprechstunden Foto: dpa

Bremen taz | Die Zukunft der humanitären Sprechstunde des Bremer Gesundheitsamtes für Menschen ohne Papiere ist weiter ungeklärt. Der Senat will zwar an dem Angebot festhalten, aber bezahlen will er dafür nicht. Denn der Bedarf an medizinischer Versorgung für Menschen ohne Papiere oder Aufenthaltsstatus steigt seit Jahren an. Mehr staatliche Hilfe gibt es für diese marginalisierte Personengruppe allerdings nicht.

Seit 2009 gibt es für illegalisierte MigrantInnen und Menschen ohne Krankenversicherung in Bremen die Humanitäre Sprechstunde im Gesundheitsamt. Dort behandeln zwei ÄrztInnen unkompliziert und anonym Papierlose. Parallel zu der medizinischen Grundversorgung bietet die Innere Mission vor Ort eine rechtliche Beratung hinsichtlich ihres Status an. Und der Bedarf stieg in den letzten Jahren stetig an: Gab es 2014 noch 279 Behandlungen, so waren es 2016 schon 508.

Papierlose standen plötzlich vor verschlossenen Türen

Vor rund drei Wochen war die Humanitäre Sprechstunde ohne jede Ankündigung geschlossen worden. Personalmangel sei der Grund dafür gewesen, dass das medizinische Not­angebot zwei Wochen lang geschlossen war. Laut Behörde war eine Ärztin krank, die andere hatte Urlaub. Schon standen papierlose Menschen mit ihrer Diabetes oder Schwangerschaft alleine da.

Humanitärer Bedarf

508 Behandlungen gab es 2016 in der Sprechstunde, 362 in 2015 und 279 in 2014.

Die häufigsten Beschwerden waren Bluthochdruck, Diabetes, Schmerzen in Gelenken, Rücken, Hals, Zähnen, gynäkologische und Schwangerschaftsprobleme.

An Fachärzte wurden PatientInnen bei Bedarf überwiesen.

Inzwischen ist die Einrichtung nun wieder geöffnet. Wie es jedoch weitergehen soll, ist angesichts steigenden Bedarfs und ungenügender Finanzierung offen. Laut Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) setzt man alles daran, dass die Humanitäre Sprechstunde weiter bestehen kann. Es werde derzeit an einem Konzept gearbeitet, „das versucht, die humanitäre Sprechstunde aufrechtzuerhalten“, sagte sie in der vergangenen Woche in der Sitzung der Stadtbürgerschaft.

Aber sie kam auch mit Bremens finanzpolitischem Mantra um die Ecke: „Wir sind nach wie vor ein Haushaltsnotlageland. Wir müssen Wege finden, es zu finanzieren.“ Es sei ein rein freiwilliges Angebot durch die Behörde. Zur Sicherstellung und sogar Verbesserung arbeite man derzeit an einem neuen Konzept, wie die Sprecherin des Gesundheitsressorts Christina Selzer der taz sagte: „Die MitarbeiterInnen im Gesundheitsamt machen das so nebenbei. Die Aufgaben wurden aber immer größer.“

Gemeinnützige könnten auch Spenden einwerben

Das Zauberwort heißt Outsourcen: Das Gesundheitsamt will gerne einen gemeinnützigen Träger für das medizinische Angebot finden. Denn der, so die Logik, könne ja zusätzlich zu den öffentlichen Mitteln Spenden einwerben und das Angebot so besser finanzieren. „Wir können das als Amt nicht machen, das kann aber ein Träger“, sagte Quante-Brandt. Derzeit sei man über die Auslagerung in Gesprächen mit Trägern, auch mit der Inneren Mission.

Der Wohlfahrtsverband sieht das jedoch kritisch: „Wir können nicht alles auf Ehrenamtliche und Spender abladen“, sagt Petra Wulf-Lengner von der Inneren Mission Bremen.

Aus ihrer Sicht sei es zunächst einmal ein Rückschritt: Man sei mit angestellten ÄrztInnen und Fachaufsicht sowie der angeschlossenen Rechtsberatung eigentlich modellhaft, gerade weil die Sprechstunde an die Behörde angeschlossen sei. Die Gespräche liefen derzeit noch. Genaueres lasse sich noch nicht sagen, so Wulf-Lengner. Außer: „Es wird von der Finanzierung abhängen.“

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