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Archiv-Artikel

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Unmöglich, sich der Strahlkraft dieses Abends zu entziehen. Über dem Hafen ein weiter Himmel, der durch die verlorenen Wolken, die ihn durchschifften, nahezu unermesslich wirkte, ausgeführt in fein abgestuften Blautönen, die über Harburg grau verdämmerten. Ich saß auf den Treppenstufen und schaute. Schaute und schaute.

Eine Frau kam vorbei, blieb stehen, ein wehendes Leinenkleid, der Blick verhangen, als würde sie gerade an Himbeereis oder an die Bilder von Mark Rothko denken. „Oh, wie schön“, hauchte sie mit Schmelz in der Stimme ihrem Begleiter zu. Oberhalb der Stufen standen ein paar Jungs regungslos auf ihren Rollbrettern. „Schon krass“, sagte einer von ihnen und schob sich sein Käppi zurecht. Auf den unteren Stufen saßen drei Studenten. „Sublim“, meinte einer, und reichte die Rotweinflasche weiter.

Schließlich baute sich genau neben mir ein Mann mit zerschlissenen Jeans auf. Das Becken hatte er nach vorn geschoben wie seinerzeit Andi Möller vor der deutschen Fankurve, nach seinem Siegtreffer gegen England im Halbfinale der Europameisterschaft 1996. Den einen Arm hatte er in die Hüfte geschoben, den anderen ließ er mit der bierflaschenbestückten Hand baumeln. Auf seiner entblößten Brust glänzte Schweiß. Er hob sein Kinn – und rülpste. Lange, tief und selbstvergessen.

So viel zur Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten. Und der Einfalt der Empfindungen.

MAXIMILIAN PROBST