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Sprache der Stille

■ Sommertheater auf Kampnagel (I): Meredith Monks Soloprogramm „Volcano Songs“

Meredith Monk betritt die Bühne, wir sehen einen zerbrechlich wirkenden, betont gerade gehenden Körper und ein leeres Gesicht. Dann hat sich Meredith Monk in der Bühnenmitte aufgestellt, sie beginnt zu singen, und wir hören – ja, was hören wir eigentlich? Wir hören seltsame, hohe, kieksende Töne. Wir hören staunend eine fremdartige Musik. Dann hören wir dunkler werdende, gurrende Modulationen; kleine Ironien in der Stimme brechen die Anspannung. Und währenddessen mögen wir denken: Seltsam; es ist, als wolle Meredith Monk, gerade indem sie sie mit ihrem Gesang durchbricht, etwas herstellen: die Stille.

Die Stille zum Sprechen bringen. Man könnte noch nach mehr Paradoxien suchen, um das Soloprojekt Volcano Songs zu beschreiben, mit dem sich die amerikanische Performance-Künstlerin Meredith Monk am vergangenen Wochenende auf dem Sommertheater-Festival auf Kampnagel präsentierte. Und finden würde man etwa folgendes Paradoxon: Meredith Monk begibt sich mit Hilfe inszenierter Bilder und genau festgelegter Abläufe auf die Suche nach Präsenz. Oder dieses: Sie zeigt, wie verschieden Menschen sind, indem sie zeigt, was ihnen gemeinsam ist.

Präsenz. Die Fähigkeit dazu wird der Monk, die immerhin schon 20 Jahre Theater-, Musik- und Filmarbeit auf dem Rücken hat, von jeher nachgesagt. Dabei ist für sie Präsenz, dies zeigt das aktuelle Programm deutlich, etwas Herzustellendes, etwas, was sich mit Hilfe von Gesangs-, Bewegungstechniken und Konzentration erarbeiten läßt. Jeder Ton im ersten Teil des Programms, jede Bewegung im zweiten und jedes Bild, das Meredith Monk im dritten Teil mit den wenigen auf der Bühne befindlichen Requisiten und ihrem Körper inszeniert – all das steht zunächst einmal für sich, zusammengehalten nur – aber was heißt hier „nur“? – durch die Spannung, die der Ton/die Bewegung/das Bild auf die Zuschauer überträgt.

Eingebettet ist die skrupulöse, dabei leichte, die 50 Minuten kurze, dabei komplexe Performance in eine Vorführung dessen, wie verschieden Menschen sind. Damit war man vor der eigentlichen Vorführung auf das Programm eingestimmt worden. Bevor man an seinen Stuhl gelangte, kam man an einer Art Videoschrein vorbei, zwei Monitore, die dasselbe zeigten, darüber ein dritter Monitor, auf dem in Großaufnahme menschliche Gesichter zu sehen waren. Gegen Ende der Aufführung wurde die Projektion noch einmal auf eine Großleinwand übertragen. Alle Menschen sind gleich, wir sind alles kleine Menschenkinder, nichts anderes will uns der amerikanische Mainstream verkaufen (one world, one product). Aber nein, alle Menschen sind verschieden, bei der Monk war es zu sehen, für solche Erkenntnisse öffnete ihre Show die Augen: Es ist geradezu eine Frage der Gerechtigkeit, auf den Besonderheiten zu beharren.

Das Sommertheater-Festival auf Kampnagel hat gerade mal seine Halbzeit erreicht. Eine Voraussage sei aber schon jetzt gemacht: Wenn das Festival in zwei Wochen zu Ende gegangen sein wird, werden die Volcano Songs von Meredith Monk mit Sicherheit eine der leisesten, aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine der besten Aufführungen gewesen sein.

Dirk Knipphals

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