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Sportvermarktung in DeutschlandGlotzt weniger Fußball!

Der Fußball drängt fast alle anderen Sportarten an den Rand. Das gilt für die TV-Präsenz ebenso wie für die Vermarktungschancen.

Klassische Randsportart: Rhönradturnen Foto: dpa

Oje, die Tristesse ist groß in Fußballdeutschland. In Zeiten, da der Tabellenletzte der Premier League mehr TV-Millionen kassiert als der hiesige Branchenprimus aus München, schwant den Bundesligamanagern bereits der Ausverkauf. Aber das ist ein Luxusproblem, wenn man auf andere Sportarten blickt. Dort sind Manager und Funktionäre froh, wenn sie es mit ihren Erstligisten überhaupt ins Fernsehen schaffen – und zwar nicht, um Millionen einzunehmen, sondern vor allem, um für Sponsoren ein bisschen interessanter zu werden.

An den begehrten Sendeplätzen hängt ein ganzer Rattenschwanz: Mit den Bewegtbildern ihrer Vorzeigeathleten begeistern die Verbände und Ligaorganisatoren Kinder und Jugendliche, neue Zuschauer und vor allem auch Geldgeber. Für Zwist sorgt dabei die Rolle der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF, deren beste Sendezeiten aufgrund der hohen Reichweite begehrt sind.

Dagmar Freitag (SPD), Sportausschussvorsitzende des Bundestags, kritisiert: „Dass einige Sportarten gar nicht oder zunehmend weniger im Fernsehen auftauchen, andere jedoch in epischer Inszenierung viel Sendezeit bekommen, widerspricht dem Auftrag von ARD und ZDF.“

Ulrike Thomas, im Deutschen Badminton-Verband mit der Vermarktung dieses Sports beauftragt, bedauert: „Da Fußball Volkssport Nummer eins ist und die meisten Zuschauer hat, erklärt sich, warum von den Fernsehanstalten andere Sportarten vernachlässigt werden. Dabei wäre es für die Vereine und Verbände sehr wichtig, eine Fernsehpräsenz zu haben“, sagt sie.

Die Sendeanstalten sehen das anders. Seitens des ZDF erklärt Sportchef Dieter Gruschwitz, dass „die Vielfalt des Sports in verschiedenen Sendungen in unterschiedlichen Sendeformaten abgedeckt wird“. Wintersport und Fußball nehmen zusammen etwas mehr als die Hälfte der Sendezeit im ZDF-Sportprogramm ein.

Wintersport profitiert

Im Ersten liefen im vergangenen Jahr insgesamt 372 Stunden Livesport, ganze 208 Stunden davon Wintersport. Die restlichen Übertragungen entfielen mit je 82 Stunden auf Fußball und alle anderen Sportarten. Die Wintersportler profitieren davon, dass sie ein gebündeltes Rechtepaket mit Biathlon, Ski alpin und Co anbieten.

Anders sieht es bei den Übertragungsrechten im Handball, Basketball und anderen Breitensportarten aus. Dort möchten Manager und Ligafunktionäre gerade mit Livebildern ihres jeweiligen Aushängeschilds Bundesliga auf die Mattscheiben deutscher Haushalte gelangen. „In Deutschland steht der Fußball so weit vor allen anderen Sportarten, dass sich dies auch in den Erlösen niederschlägt. Nach dem Fußball sind aktuell Motorsport, Biathlon, Boxen und Skispringen die Sportarten, für die sich Menschen hierzulande am stärksten im TV interessieren“, sagt Repucom-Geschäftsführer Jan Lehmann.

Das Unternehmen ist auf „Sponsoringberatung“ im Sport spezialisiert. Lehmann betrachtet die Situation recht pragmatisch: „Grundsätzlich gilt sicher, dass die Preise, die am Medienmarkt erzielt werden, die Nachfrage widerspiegeln.“

60 Handball-Livespiele

Der im Fernsehen beliebteste Ballsport nach dem Fußball ist in Deutschland Handball. Die Bundesliga hat die Rechte ihrer Ligaspiele bis 2017 an den Spartensender Sport1 abgetreten. Dort schalteten in der vergangenen Saison im Schnitt 230.000 Zuschauer bei jedem der insgesamt 60 Livespiele ein. Der Spitzenwert lag bei 900.000 Zuschauern.

In der laufenden Saison verbucht die Liga derzeit einen Zuwachs von teilweise über 50 Prozent. Frei zu empfangen sind auch die Spiele der Deutschen Eishockey Liga (DEL) – und zwar sowohl im Fernsehen über ServusTV als auch im Internet über Laola1. Während der Finalpartien saßen zwischenzeitlich 470.00 Zuschauer gleichzeitig vorm Fernseher.

taz am wochenende

Der VW-Skandal könnte eine Wende sein. Technisch haben wir seit Jahren alles, was wir brauchen, um Mobilität für die Zukunft zu denken, sagt Mobilitätsforscher Stephan Rammler. Das Interview lesen Sie in der Titelgeschichte „Wir haben jetzt einen Fukushima-Moment“ in der taz. am wochenende vom 14. November. Außerdem: Ein Jahr nach den Unruhen in Ferguson. Auf Nachtstreife mit der Polizei in Los Angeles. Und: Muss ein Schäfer auch twittern können? Das alles am Kiosk, im eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Einen anderen Weg wählte die Basketballbundesliga. Seit der vergangenen Saison werden alle Ligaspiele von Telekom Basketball übertragen. Telekom-Kunden können Ligaspiele kostenlos gucken, alle anderen zahlen zehn bis 15 Euro im Monat. 50 weitere Spiele strahlte zusätzlich Sport1 aus, das Pokalfinale lief im ZDF. Im Schnitt schauten 2014/15 je Spieltag rund 100.000 Zuschauer zu.

Das Livespiel auf Sport1 erreichte weitere 100.000 Zuschauer. Seit dieser Saison werden auch Spiele in der Europaliga übertragen. „Es ist interessant, welche Rolle die Bedeutung und damit die Position eines TV-Senders auf der Fernbedienung spielt. Sport1 ist dort meist schon nicht ganz vorne, aber ServusTV noch viel weiter hinten“, meint Lehmann.

Größere Bälle für die Zuschauer

Der Deutsche Turner-Bund (DTB) ist nach dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit über fünf Millionen Mitgliedern der zweitgrößte Sportverband Deutschlands. Für Verbandssprecher Torsten Hartmann sind „positive TV-Zeiten ein wichtiger Anknüpfungspunkt bei der Sponsorenakquise“. Dass die besten Athleten nicht nur während der Olympischen Spiele, sondern auch in der ersten Bundesliga um Punkte und Siege turnen, kriegt in der breiten Öffentlichkeit indes kaum jemand mit.

Während Olympia passen die Turner sogar ihre Zeitpläne den Vorstellungen der TV-Sender an. Ein gar nicht unübliches Vorgehen, seitdem die Biathleten zumindest in Sachen Quote erfolgreich vorgemacht haben, wie man einen Sport fernsehgerecht ummodelt. Auch im Tischtennis sollten größere Bälle und eine neue Aufschlagregel die Ballwechsel verlängern und so den Sport für Zuschauer attraktiver machen. Um zusätzlich die Spannung zu steigern, enden Sätze seit 2001 bei elf statt bei 21 Punkten.

Livespiele aus der Tischtennisbundesliga laufen trotzdem nicht im Fernsehen, sondern stattdessen auf der Internetplattform Sportdeutschland.TV. Erst im Juli hat ProSiebenSat1 die Mehrheit am vom Deutschen Olympischen Sportbund ins Leben gerufenen Sportdeutschland.TV erworben. „Wir möchten Nischenangebote bündeln“, erklärt Geschäftsführer Oliver Beyer. Sportarten wie Tischtennis und auch Volleyball, die zuvor bereits über eigene Websites Livestreams angeboten haben, liefen inzwischen gut, „weil“, so Beyer, „die sich ihr Publikum aufgebaut haben“.

Amateur- oder Nachwuchswettkämpfe

Das Portal startete Anfang 2013 mit einem Pilotprojekt. Die Livestreams werden von den Ligen, Vereinen oder Verbänden produziert. Mal schalten ein paar Hundert Zuschauer ein, mal über 100.000. Auch Amateur- oder Nachwuchswettkämpfe werden gezeigt – zumindest solange sie ein Mindestmaß an Qualität gewährleisten. Repucom-Chef Jan Lehmann glaubt, dass „Internetplattformen dazu dienen können, junge Zielgruppen zu erreichen, die kaum noch klassisch TV schauen. Die Relevanz solcher Plattformen wird daher weiter steigen.“

Doch auch im Internetzeitalter stellen Produktionskosten noch immer ein wesentliches Hindernis dar. „Man kann nicht einfach eine Kamera aufstellen und übertragen“, sagt Beyer. Wer in HD mit einem Kamerateam vor Ort und mit Fachmoderatoren berichten möchte, muss zunächst einmal seine Kosten decken. So konnte der Deutsche Tischtennis-Bund – immerhin knapp 600.000 Mitglieder stark – aus „Kostengründen“ in diesem Jahr erstmalig einen Livestream zu den Deutschen Meisterschaften anbieten.

Dass wie in der Fußballbundesliga für die Bewegtbildrechte Erlöse in Millionenhöhe fließen, ist in anderen Ligen allerdings nicht der Fall. Sponsoring und Ticketing seien als Einnahmequelle relevanter, heißt es etwa seitens der Handballbundesliga. Über die Erlöse aus den TV-Rechten schweigen die Verbände. Wie gering diese letztendlich ausfallen, zeigt der Finanzreport von Deloitte für die Saison 2013/14. Die 3. Liga im Fußball erzielte, zugegeben auch etwas verzerrt durch Red Bull Leipzig, mit 164,5 Millionen Euro erheblich mehr Umsätze als die ersten Ligen im Eishockey (106,1 Millionen Euro), Basketball (90,8 ) und Handball (88,9).

Eintrittskarten, Fanartikel, Sponsorengelder

Interessant ist aber vor allem, zu schauen, wo die Gelder herkommen: Zusammen 18,3 Millionen erhielten die Fußballklubs in der 3. Liga für ihre Medienrechte. Zum Vergleich: Für die Erstligisten im Basketball gab es in der Summe 300.000 Euro, für die Handballer 2,7 Millionen Euro, und in der Deutschen Eishockey Liga entfielen Erlöse für Medienrechte gleich ganz. Der Verkauf von Eintrittskarten und Fanartikeln sowie Gelder von Sponsoren sind jenseits des Fußballs für die Finanzierung viel wichtiger als TV-Rechte.

In absehbarer Zeit wird an dieser medialen Fußballdominanz nicht gerüttelt werden. Schaut man sich beispielsweise die Quoten bei Sport1 an, so erzielt dort die Übertragung von Regionalligaspielen im Fußball vergleichbare Werte wie zum Teil die Handballbundesliga. Anders als in Deutschland, gibt es in anderen Ländern mehrere Sportarten, die kulturell bedingt eine große Rolle spielen.

„Tradition ist sehr wichtig“, erklärt Repucom-Chef Lehmann. In Deutschland habe der Fußball in „wichtigen Phasen der gesellschaftlichen Entwicklung eine große Rolle gespielt, Deutschland hat es im Fußball immer geschafft, erfolgreich zu sein und eine gesellschaftliche Relevanz zu bekommen“.

Dauer der Partien unklar

Dass einige Sportarten im Fernsehen besser ankommen als andere, kann aber ganz verschiedene Gründe haben. Beispielsweise erschwert die ungewisse Dauer im Tischtennis oder Tennis die Programmplanung. Und Eishockey ist zwar rasant, der Puck aber nur ein kleiner Fleck auf dem Bildschirm. Um ein Tor zu erkennen, benötigt der ungeübte Betrachter da schon die Zeitlupe. Im Handball und Basketball ist das Regelwerk komplexer als im Fußball.

„Vernünftige Grafiken und ein Moderator helfen, dass auch Laien das Spiel verstehen“, sagt Mark Schober, Generalsekretär beim Deutschen Handball-Bund. Regelmäßig tauscht sich der Verband mit den Moderatoren aus. Gerade zu Sport1 gebe es einen „sehr engen Kontakt“. Die Grenzen zwischen Journalisten, Sportlern und Funktionären verschwimmen – alle arbeiten an einem einzigen Ziel: Reichweite. Nicht unüblich, dass die Vereine selber Bilder produzieren, die sie dann den Sendern zur Verfügung stellen.

Ein weiterer Quotentreiber ist der Patriotismus. „Das Nationalteam mit dem Adler auf der Brust garantiert hohe Reichweite“, sagt Schober. Während der Europameisterschaft im Basketball schauten durchweg über eine Millionen Zuschauer zu, wenn das deutsche Team im Öffentlich-Rechtlichen antrat. Als die Handballer 2007 Weltmeister wurden, saßen über 16 Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen.

Auch nationale Helden wie einst Boris Becker oder Steffi Graf können als Aushängeschilder das Renommee einer Sportart schlagartig steigern. Immerhin läuft Tennis auch heute noch regelmäßig im Fernsehen – dann sind es aber Spiele der US Open oder French Open im Spartenprogramm. Spiele der Tennisbundesliga sind – zumindest im TV – dagegen nicht zu sehen.

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