Sportverbote für Kinder wegen Corona: Bewegung für alle!
Wenn es in der Coronapolitik darum geht, Gesundheit zu bewahren, ist die Einschränkung von Kindersport kontraproduktiv. Sie gehört beendet.
H ilfreich ist, sich daran zu erinnern, was schon vorher schlecht war. Dann lässt sich nämlich erkennen, was in der Pandemiebekämpfung falsch läuft, was geradezu mit Ansage falsch läuft, weil es ein bereits existierendes Defizit gravierend verstärkt. Mit der nahezu vollständigen Immobilisierung von Kindern und Jugendlichen durch die weitgehende Beseitigung der schulischen und die Blockade der freigemeinnützigen Bewegungsangebote hat man einen guten Kandidaten für die Spitzenreiterposition in diesem Negativ-Ranking.
Denn dass in Deutschland 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen sich weniger als die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen 45 Minuten am Tag bewegen, ist ja der Befund von Erhebungen, die schon vor Corona durchgeführt worden sind: Der Konsens der Fachwelt war, dass niedrigschwellige Anreize zu schaffen seien, die Kinder in Bewegung bringen, dass es mehr und, weil sich viele die Vereinsmitgliedschaft nicht leisten können, kostenlose oder wenigstens günstigere Angebote geben müsse – gerade angesichts des Vormarschs von Digitalisierung und Bildschirmfreizeit.
Sport, vor allem Breitensport ohne Leistungsdruck, kann soziale Integration fördern. Jugendliche lernen dort, unaussprechliche psychische Belastungen auszuagieren. Klar, das Risiko, sich beim Laufen, Schwimmen, Raufen zu verletzen, gibt’s. Aber es nimmt ja ab in dem Maße, in dem die motorische Kompetenz wächst. Also gilt wirklich immer: Bewegung ist gesund.
Gesundheit zu bewahren, war die Maßgabe, unter der die Coronapolitik angetreten ist. Der Schutz der Bevölkerung ist das Anliegen ihrer Gesetze und Verordnungen. Dass sie eine extreme Belastung für die Einzelnen und die Gesellschaft darstellen, ist klar. Was man zuerst gemacht hat, war: Spielplätze zu versiegeln.
Trainingsgruppen rabiat minimiert
Gut, das wenigstens war dann auch schnell wieder vorbei. Aber sonst gilt weiter: Glücklich, wer zu Hause eine Ballettstange im eigenen Zimmer, einen Toberaum oder einen Boxsack im Keller hat. Sport- und Schwimmhallen jedenfalls bleiben in aller Regel weiter dicht. Und draußen, wo das Ansteckungsrisiko nahe null liegen dürfte, werden die Trainingsgruppen rabiat minimiert, in denen Sport betrieben werden darf. Und Sportunterricht per Zoom …? Oh, no!
Beim sozial in vieler Hinsicht schädlichen Spitzensport hat man lange getüftelt, um die milliardenschwere Show weitergehen zu lassen. Aber den Kindern und Jugendlichen hat man dieses Mittel, mit der Krise klarzukommen, aus der Hand geschlagen, statt zu überlegen, wie es bewahrt und ausgebaut werden kann. Ohne sich über einen möglichen Ausbau digitaler Sportangebote systematisch Gedanken zu machen, hat man sie an die Bildschirme getackert. Und zwar nicht, weil es nötig oder gar sinnvoll wäre – es ist ja ein erkennbar kontraproduktiver Ansatz. Sondern weil man es konnte.
Das ist schäbig und gehört beendet. Nicht, indem alle Beschränkungen aufgegeben werden. Die politische Aufgabe heißt vielmehr, Kindern und Jugendlichen Bewegung pandemiekonform zu ermöglichen.
Den ganzen Schwerpunkt der taz nord zu Kindern und Sport in der Coronapandemie lesen Sie hier.
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