Sportplatz: Jetzt droht der Aufstieg
FUSSBALL Nach dem 2:0 gegen Würzburg im Freitagsspiel steht der Zweitligist 1. FC Union Berlin auf einem Aufstiegsrang – aber sind die Köpenicker dafür auch tatsächlich bereit?
Jens Keller ist ein guter Mann. Der ehemalige Schalke-Trainer, der in Gelsenkirchen stets im Ruf stand, zu weich zu sein und ein Loser, findet beim 1. FC Union offenbar genau das Vertrauen und das solidarische Umfeld, die er für seine Arbeit als Taktiker und Mentor einer Mannschaft braucht. Der Kader der Köpenicker ist derzeit denn auch gut aufgestellt: Es ist ein ordentlicher Zweitligakader mit zwei, drei bekannteren Namen – Philipp Hosiner, österreichischer Nationalspieler, saß am Freitag gar nur auf der Bank. Die Arbeit Kellers macht aus den „Eisernen“ gerade eine Truppe, die tatsächlich genau das ist: schlagkräftig und solide.
Dreier-, Vierer-, Fünferkette
Am Freitagabend waren die Kickers aus Würzburg zu Gast. Ein Provinzverein, der genauso wie Union von der Leidenschaft des Umfelds lebt. Trainer Bernd Hollerbach (früher Hamburger SV) ist genau wie Keller einer, dem erst im Kleinen die richtig gute Arbeit gelingt – weil man ihm dort vertraut. So sind die Kickers, die vor ein paar Jahren noch in der Regionalliga gespielt haben, inzwischen auf einem ordentlichen Mittelfeldplatz der Zweiten Liga angekommen. Am Freitag hatten sie in der fast ausverkauften Alten Försterei allerdings nicht den Hauch einer Chance – obwohl sie mehr als eine Halbzeit lang in Überzahl spielten.
Und das lag eben an den entscheidenden Unterschieden, die Kellers Verdienst sind. Der 1. FC Union Berlin hat ein kompaktes, eingespieltes Team, das in der Verteidigung auch mal von Dreier- auf Fünferkette und dann zurück zur Viererkette wechseln kann. Im Mittelfeld steht man dicht gestaffelt. Und vorne hat Union in Sebastian Polter und Damir Kreilach zwei Knipser, die so ein Spiel wie das am Freitag entscheiden können: Polter traf in der 21. Minute nach einer Ecke per Kopf zum 1:0, und Damir Kreilach markierte schließlich den Schlusspunkt kurz vor Spielende, als er einen Abwehrblock der Kickers zu einem eiskalten Trick und dem Schuss in die lange Ecke nutzte. Zwei Tore aus vielleicht insgesamt vier Chancen, mehr brauchte Union nicht. Da war auch der Platzverweis für Roberto Puncec kurz vor Pausenpfiff wegen wiederholten Ellbogenchecks nicht so schlimm.
Allmählich könnten sie also wirklich nervös werden in Köpenick: Der Aufstieg droht, nachdem Hannover am Samstag in Karlsruhe patzte. Mindestens aber die Relegation sollte drin sein, am Ende vielleicht gegen den großen HSV.
Das Stadion in Köpenick ist ein kleines Schmuckstück – und für die Zweite Liga gibt es in Berlin ein begeisterungsfähiges Publikum, das rund um die Uhr für Stimmung und Unterstützung sorgt. Ja, noch herrscht Euphorie an der Alten Försterei. Aber ob man wirklich bereit ist für den Schritt in die Erste Liga – was auch einen Ausbau des Stadions, neue Sponsoren und all das bedeuten würde – das bleibt offen. 19.875 Zuschauer wollten sich das Zweitligaspiel gegen Würzburg ansehen. Was aber, wenn die Bayern kämen?
Der Rest ist abgehängt
Die Saison ist noch lang. Aber die Beständigkeit, die Keller seinem Team schon jetzt eingepflanzt hat, ist beeindruckend. Hannover 96 und der VfB Stuttgart – erfahrene Bundesligisten auf dem Weg zurück – scheinen, was Budget und Potenzial betrifft, noch weit weg zu sein für die Köpenicker. Der Rest der Zweiten Liga ist spielerisch fast abgehängt. Da kommen interessante Zeiten auf den kleineren der beiden Berliner Proficlubs zu. René Hamann
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