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Spioninnen wie wir

Wenn Frauen zu sehr schnüffeln, dann steckt meist die Liebe dahinter.Ein Stück deutsch-deutscher Zeitgeschichte („Romeo“, 20.15 Uhr, ZDF)

von VIKTORIA URMERSBACH

Lotte Zimmermann ist jung und schüchtern. Gerade hat sie die Sekretärinnenprüfung erfolgreich abgelegt. Ein Likörchen zur Feier des Tages stimmt sie heiter, und dann trifft sie Robert (Alexander Held), den Charmeur. Es ist eine Begegnung, die sie ins Zentrum des Kalten Krieges katapultiert. Sie wird Spionin im Dienste des Sozialismus.

Aber das kann Lotte jetzt noch nicht wissen. Lotte ist Hauptfigur des ZDF-Fernsehspiels „Romeo“. Der Film erzählt ihre Geschichte in Rückblenden und zeichnet den Verrat Szene um Szene nach. Martina Gedeck spielt diese Lotte, von Beruf Agentin aus Liebe, und sie spielt sie ganz fantastisch: Verlegen zupft sie ihre Nylonbluse zurecht, hinreißend unterwürfig kullern ihre Rehaugen, als sie Hermann (Sylvester Groth) trifft. Der tritt in dieser Szene seinen neuen Dienst als Romeo an. Durch Robert, seinen Kollegen bei der Hauptverwaltung Aufklärung des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, weiß er schon, wie man bei Lotte landen kann. Die Dienstvorschrift 1/79 des MfS verpflichtet ihn zu „Rasur, gepflegter Haartracht, sauberen Händen“.

Ab jetzt bringt er ihr alles bei, was sie als perfekte Schreibkraft in einer westdeutschen Machtzentrale braucht. Zuerst ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, um sich beim bayerischen Innenministerium zu bewerben. Dann Lektion zwei: Kopieren für die Liebe. An einem Xerox-Gerät der ersten Generation xerografiert sie das erste Geheimdokument für Hermann. Fast verliert sie die Nerven dabei, aber dann ist alles viel einfacher, als sie gedacht hat. 20 Jahre lang spioniert Lotte für die DDR, eigentlich für Hermann. Jahre später klingelt es an der Tür, und sie wird wegen Landesverrats angeklagt. Jahre nach dem Mauerfall, als die Mittfünfzigerin längst nicht mehr kopiert. Ihr Romeo sagt als Zeuge aus. Gegen ihn liegt nichts vor. So erfährt sie viel neues Altes. Die Heirat in Ostberlin, das Anstoßen mit den Schwiegereltern und die Anekdoten aus Hermanns Kindheit – nichts blieb dem Zufall überlassen, alles war Lüge.

Sylvester Groth als „Romeo“ ist komplex, hervorragend. Auch er ist ein Verlierer, das Doppelleben hat sein Leben halbiert. Und der Darsteller nimmt seine Figur in Schutz vor Klischees.

Die Regisseurin Hermine Huntgeburth („Der Hahn ist tot“) inszenierte die deutsch-deutsche Geschichte. Tatsachenberichte von Agentinnen dienten als Ausgangsmaterial für den Film. Ruth Thoma („Gloomy Sunday“) entwickelte das Drehbuch aus vielen Einzelschicksalen derer, die über ihre Geschichte Rechenschaft abgelegt haben.

Eine von ihnen, Dr. Gabriele Gast, hat zu Protokoll gegeben, dass politische Überzeugung einen Großteil ihrer Motivation ausgemacht hat. Im ZDF ist das anders. Hier ist es eine Ur-Emotion, die die Frau zur Spionin macht, die Liebe.

Die ZDF-Abteilung Unterhaltung will mit dem Film „eine Geschichte hinter der Geschichte“ zeigen. Ganz anders als ZDF-Vorzeigehistoriker Guido Knopp, der mit seinen Sendungen den Anspruch hat, DIE Geschichte hinter der Geschichte zu enthüllen. „Romeo“ ist fiktionalisierte Zeitgeschichte, und schon wird das Ganze glaubwürdiger, echter, wahrer. Schöner wird die Geschichte nicht dadurch, aber das wäre auch zu viel verlangt, schließlich geht es um Lebenslügen und Verrat.

Fast schon zu perfekt ist die Kulisse. Die Furnierholzküche, die Hollywoodschaukel – alles wirkt seltsam zeitlos in der Ausstattung. Gut, dass an der Sofa-Häkelrolle noch ein Preisschild klebt. Die ganze Szenerie wirkt dadurch echter.

Was nicht sein muss: dass Lottes und Hermanns Tochter (hingebungsvoll gespielt von Kathrin Bühring) ausgerechnet Julia heißen muss.

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