Spiegel Verlag: Wirtschaftspoker
Der Spiegel-Verlag möchte bei der Financial Times Deutschland einsteigen. Zum neoliberalen Kurs des Magazins passt das - fragt sich, ob die Spiegel-Mitarbeiter KG mitspielt.
Nein, sie könne gar nichts dazu sagen, beteuert Emma Swanson von der Financial Times Group in London: "Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu Spekulationen." Dumm nur, dass die Spekulationen keine sind: Die Hälfte der Financial Times Deutschland, der 2000 gegründeten rosa Schwester der legendären britischen Wirtschaftszeitung, steht zum Verkauf. Und der willige Käufer ist ein alter Bekannter: Der Spiegel-Verlag.
Hier erscheinen bereits Wirtschaftstitel wie das Manager Magazin und der Harvard Businessmanager, und schon Spiegel-Gründer Rudolf Augstein liebäugelte immer mit einer eigenen Tageszeitung. Vor sieben Jahren sollte sogar die taz dran glauben. Seitdem hat sich beim Spiegel (Augstein: "Im Zweifel links") einiges verändert: Dass es nun die wirtschaftsliberale FTD werden könnte, passt angesichts des neoliberalen Kurses von Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust perfekt ins Konzept.
Bislang ist die Financial Times Deutschland ein gemeinsames Unternehmen der britischen Financial-Times-Mutter Pearson, mit dem deutschen Großverlag Gruner + Jahr. Der ist mit 25,5 Prozent der Anteile auch Minderheitspartner beim Spiegel - und sagt zu Spekulationen zum Deal ebenfalls nur, dass es "nichts zu sagen" gebe. Vielleicht liegt es daran, dass die Financial Times Deutschland bislang nicht allzu erfolgreich ist. Als das Blatt im Februar 2000 auf dem Höhepunkt des Online-Booms antrat, formulierte ein Pearson-Manager forsch, es gehe für den Hauptkonkurrenten Handelsblatt ab sofort "um Leben und Tod". Doch die FTD-Auflage mäandert seit Jahren um die 100.000 Exemplare (aktuell 103.284), während sich das Handelsblatt rund 140.000-mal verkauft. Bei der vor allem für Anzeigenkunden wichtigen Abo-Auflage nähert sich die FTD mit gerade noch 58.276 Exemplaren sogar wieder der taz an. Bord- und Probenummern müssen die Auflage stützen. Laut FTD-Insidern soll der Anzeigenumsatz daher weiter unter den Erwartungen liegen, latenter Sparzwang herrscht seit langem, freiwerdende Redakteursstellen in der Hamburger Zentrale wurden nicht mehr umgehend besetzt.
Dass nun ausgerechnet die Financial-Times-Mutter Pearson den Ausstieg aus dem "deutschen Abenteuer" (FTD-Gründungschefredakteur Andrew Gowers) probt, ist dabei nicht ohne Ironie: Vor einigen Jahren hatte man bei Gruner + Jahr erwogen, sich zurückzuziehen. Doch nun vollzieht auf einmal Pearson den Wirtschaftsabschied auf Raten: Der Versuch, das kürzlich zum Verkauf stehende Wall Street Journal (WSJ) zu übernehmen, misslang spektakulär: Das WSJ ging nach langem Tauziehen an den Medienmulti Rupert Murdoch. Die französischen und spanischen Business-Titel hat Pearson schon verkauft. Dass nun erstmals ein Titel verkauft wird, den der quasi heilige Namenszug Financial Times ziert, dürfte die Londoner City beflügeln: Sie fordert schon lange, dass sich Pearson auch von der britischen Financial Times trennt, weil der Konzern mit seinen anderen Unternehmensbereichen deutlich mehr verdient.
Gut verdient wird auch beim Spiegel-Verlag. Hier hat man durchaus freie Mittel für Investitionen: "Wir investieren siebenstellige Summen", hatte der neue Geschäftsführer Mario Frank schon im Mai verkündet. Damals hörte sich seine Strategie im Interview mit der FAZ allerdings noch etwas anders an: "Wir werden massiv in den Spiegel und massiv ins Internet investieren", so Frank, denn "wir glauben, dass der Printmarkt schrumpft." Es sei "unübersehbar, dass es dort zurzeit kein Wachstum gibt". Das gilt zwar vermutlich auch für die FTD, deren frecher, angriffslustiger Stil der Anfangsjahre schon wieder der eher bleiernen Langeweile gewichen ist, die in Deutschland offenbar als seriöser Wirtschaftsjournalismus gilt.
Der taz-Deal scheiterte seinerzeit übrigens auch am Veto der Spiegel-Mitarbeiter KG, die den armen Schlucker aus Berlin nicht durchfüttern wollte. Auch in Sachen FTD muss die KG, die 50,5 Prozent am Spiegel-Verlag kontrolliert, zustimmen. Dies dürfte sich noch als gewaltige Hürde entpuppen - denn allzu großzügig sind die KollegInnen bekanntermaßen eben nicht.
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