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Archiv-Artikel

Spart Agentur auf Kosten Arbeitsloser?

Wer zwangsweise Stunden reduziert, weil die Firma in finanziellen Nöten steckt, muss im Fall von Arbeitslosigkeit keine Nachteile erleiden. Doch die Arbeitsagentur muss darüber nicht informieren – und tut es auch nicht. Zumindest nicht in Bremen

Von ede

Bremen taz ■ „Das macht sogar Syke besser als Bremen.“ Martina S. ist von der Bremer Agentur für Arbeit schwer enttäuscht – weil diese der seit April arbeitslos gemeldeten Kauffrau wichtige Informationen vorenthielt. Was eine gute Beratung ihr wert ist, kann sie beziffern: „Ich sollte 200 Euro im Monat weniger bekommen, als mir zustehen“, bilanziert sie verärgert. Im kleinstädtischen Syke nämlich wies die Arbeitsberaterin ihre ebenfalls von Kündigung betroffene Kollegin auf die Gesetzeslage hin – damit die Frau, die im Vorfeld einer Betriebsabwicklung bereits Arbeitszeit reduzieren musste, dadurch keine Nachteile erleidet. Martina S. dagegen, die seit einer Änderungskündigung wegen schlechter Umsätze schon seit Jahresbeginn 2003 nur noch 20 statt 30 Stunden arbeiten durfte, erfuhr von der Sonderregelung nichts.

Nach dem S. verheimlichten Paragrafen im Sozialgesetzbuch (siehe Kasten) brauchen Arbeitslose, die im Zuge einer Betriebskrise wie Martina S. eine Stundenreduzierung hinnehmen mussten – und so die Firma im Glücksfall vielleicht über eine Durststrecke bringen – im Falle einer Pleite keine Nachteile erleiden. Der Gesetzgeber gesteht ihnen „eine Verlängerung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre“ zu – soll heißen: das Arbeitslosengeld bemisst sich nicht bloß nach dem zuletzt bezogenen, wegen der Stundenkürzung reduzierten Gehalt. Allerdings gilt die Regel nur auf Antrag und im Falle einer „unbilligen“ Härte. „Wie soll man sowas beantragen, wenn man davon nichts erfährt“, empört sich S. Hätte ihre Kollegin ihr nichts gesagt – sie müsste heute mit 542 Euro Arbeitslosengeld im Monat auskommen.

„Die Gesetzeslage hat sich in den letzten Jahren nicht geändert“, wundert sich Georg Schaff, Arbeitslosenberater der Bremer Arbeitnehmerkammer, über die Informationslücke. Er teilt S.’ Ansicht, wonach ein Hinweis auf die Rechtslage wünschenswert wäre. „Alles andere ist doch ein klarer Widerspruch zum Informationsgebot, dem Behörden unterliegen“, sagt er. Doch erkennt er „ein Problem des Gesetzgebers“: Weil die Regel nur auf Antrag in Kraft tritt, wird in den Formularen nach einer zwangsweisen Stundenreduzierung oder einer entsprechenden Änderungskündigung gar nicht erst gefragt. Einen entsprechenden Widerspruch bei der Arbeitsagentur bekam Martina S. denn auch ohne jedes Problem durch – und seither rückwirkend 180 Euro mehr pro Monat.

„Für die Bundesagentur besteht grundsätzlich nur Beratungspflicht, wenn die Kundin das Thema direkt anspricht“, betont Angela Wessel für die Arbeitsagentur. Das geschehe in vielen Fällen – weil Betroffene sich oft schon nach einer Änderungskündigung mit der Agentur ins Benehmen setzten. Martina S. hält ihr eigenes Beispiel dagegen: „Natürlich habe ich die Änderungskündigung angesprochen.“ Trotzdem habe man sie nicht auf die für sie günstige Bestimmung hingewiesen. Glücklicherweise sei sie innerhalb der Widerspruchsfrist auf ihre Rechte aufmerksam geworden.

Georg Schaff von der Arbeitnehmerkammer weiß noch mehr: Eine solche Erweiterung der Bemessungsgrenze findet auch statt, wenn Beschäftigte wegen der klammen Lage der Firma auf Teilzeit gegangen sind. „Dazu braucht es nicht einmal eine Änderungskündigung“, sagt er. Damit werde das Gesetz der tatsächlichen Lage gerecht: „In den meisten Fällen einigt man sich doch auf eine Stundenreduzierung – was wollen Beschäftigte gegen ein solches Ansinnen der Geschäftsleitung auch sagen?“, fragt Schaff. Bei zwangsweiser Teilzeitarbeit könne sogar der Lohn der letzten dreieinhalb Jahre zugrunde gelegt werden, um zu Gunsten der Gekündigten ein höheres Arbeitslosengeld zu ermitteln. Etwas, worauf aus seiner Sicht auch Arbeitgeber ihre Beschäftigten hinweisen müssten.

ede