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Archiv-Artikel

Sparschwein steuert die Drogenhilfe

Anders als noch im Dezember geplant, sollen Beschäftigte der Drogenhilfe nicht ins Gesundheitsressort wechseln. Doch an den Plänen für eine Privatisierung hält die Senatorin fest. Ebenso an der Abkehr von dezentralen Anlaufstellen – das spart

Gutachter lobten die Bremer Drogenhilfe für die wohnortnahen Hilfe-Angebote. Defizite sahen sie vor allem im Umgang der Sozialbehörde mit freien Trägern. Jetzt wendet das Boot

bremen taz ■ Die MitarbeiterInnen der staatlichen Bremer Drogenhilfe haben gute Arbeit gemacht. Dies bescheinigte ihnen Bremens Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) noch im Dezember. Dennoch, so die Ankündigung, sollten regionale Hilfe-Stellen reduziert und Stellen samt MitarbeiterInnen zum Jahreswechsel ins Gesundheitsressort wandern. Überhaupt sollte die Drogenhilfe zur Jahresmitte an Private übertragen werden.

Ärger und Verunsicherung über die Pläne waren enorm. Kürzlich kam die erste Korrektur: Beschäftigten könne ein Wechsel ins Gesundheitsressort erspart werden, die Privatisierung aber nicht. Weniger Angebote, mittelfristig weniger Lohnkosten, weniger Mitbestimmung und eine privatrechtliche Trägerstruktur sollen Kosten sparen.

Dabei war es noch in einem Gutachten über die ambulante Bremer Drogenhilfe vor sieben Jahren um die Kosten zuletzt gegangen. Die beauftragte „Gesellschaft für Forschung und Beratung im Sozialbereich“ (FOGS) sollte vor allem das Positive am Bremer System darstellen und Verbesserungsvorschläge machen. Das Ergebnis war ermutigend: Die Bremer Drogenhilfe funktioniere gut, besonders lobten die Gutachter die Regionalisierung, das heißt die wohnortnahen Hilfe-Angebote. Defizite sahen sie vor allem im Umgang der Sozialbehörde mit freien Trägern. Auch fehle ein „mittleres“ Angebot für Drogenkranke, die Hilfe brauchten, auf dem Rückweg in die Arbeitsgesellschaft.

Die Gutachter empfahlen ausdrücklich, „gegenwärtig keinen Wechsel der kommunalen Einrichtungen und Angebote in gemeinnützige Trägerschaft zu vollziehen“, sondern diese Frage erst dann zu prüfen, wenn die Aufsichtsbehörde klare „fachliche Standards“ und eine „qualifizierte Berichterstattung“ darüber entwickelt habe, wie Träger arbeiteten. Offenbar glaubten die Gutachter, dass der Aufsichtsbehörde der Maßstab fehle, die Arbeit der Träger zu beurteilen. Auch von den weiteren Empfehlungen der Gutachter ist wenig bis nichts umgesetzt worden. Insbesondere die „mittleren“ Angebote wurden nicht geschaffen, Qualitäts-Controlling wurde nicht eingeführt.

Fünf Jahre später begann die Diskussion über die Privatisierung. Heute geht es dabei kaum noch um Qualität, sondern um Kosten. Für Bremen-Stadt soll es neben dem Tivoli-Haus am Bahnhof, wo die „offene Szene“ der Drogenabhängigen mit einem Café-Treffpunkt, einer warmen Dusche und ärztlicher Hilfe versorgt wird, nur noch eine zentrale Anlaufadresse für die ambulante Drogenberatung geben. Dass Drogenabhängige und Angehörige aus Bremen-Nord eine eigene Anlaufstelle haben und nicht in die Stadt fahren müssen, wenn sie Hilfe in Anspruch nehmen wollen, reicht zur Aufrechterhaltung des Etikettes „regional“.

Pikanterweise wurden die Experten von FOGS im vergangenen Jahr damit beauftragt, kurzfristig ein neues Gutachten zu erstellen. Wenn man die beiden Gutachten nebeneinander liest, dann springt ins Auge, wie peinlich der neue Auftrag gewesen sein muss: Der „mittlere Angebotsbereich“ fehlt weiterhin, stellen die Gutachter fest, das Netz der „gut ausgebauten niedrig schwelligen Hilfen“ lasse sich aufgrund der „Personaleinsparungen“ nicht aufrecht erhalten. Unter dem Finanz-Druck empfehlen die Gutachter aber jetzt das Gegenteil dessen, was sie vor Jahren fachlich begründet hatten: Zentralisierung und Privatisierung.

Wie sollen Gutachter ihren Geldgebern auch anderes raten als das, wofür die bezahlen? Unter diesem Aspekt haben die Gutachter ihre Bewertung der Arbeit der Behörde doch noch relativ deutlich niedergeschrieben: „Erhebliche Abstimmungsbedarfe“ gebe es beim öffentlichen Träger. Zu deutsch: ziemliches Durcheinander. Und dann: „Die Steuerung der ambulanten Drogenhilfe wird wesentlich durch stadtstaatenspezifische Charakteristika der öffentlichen Verwaltung beeinflusst. Die bestehen vor allem in einer Art ’operativer Wirksamkeit’ der senatorischen Behörde als Landesbehörde und des Amtes für soziale Dienste als kommunale Verwaltung.“

In diesem Jahr soll alles wieder eingerissen werden, was vor fünf Jahren für fachlich gut befunden worden war. Dann geht die Gesundheitsbehörde wieder auf die Suche nach einer zentralen Adresse für ambulante Drogenhilfe in der Stadt Bremen. Die die zuletzt angemieteten Räume im Faulenquartier (Ölmühlenstraße) sind dafür zu klein. „Nicht im Viertel“ soll die neue Adresse sein, verspricht Anton Bartling vom Gesundheitsressort. Nach jahrelangem Abwehrkampf der Anwohner war zuletzt die Zentrale im Viertelsträßchen Bauernstraße aufgegeben und mit großen Erwartungen das Konzept der „Regionalisierung“ eingeführt worden.

Klaus Wolschner