bremen streicht flagge : Sparen am Speck
Viele haben bekanntlich den Umbau der Stadthalle bedauert, weil sie damit das markanteste Bremer Bauwerk der Sechziger Jahre kastriert sehen. Nun aber droht ein Gesichts- und Geschichtsverlust ganz anderer Größenordnung: Die Speckflagge wird als Logo der Bremer Messe verabschiedet, weil sie „wenig Aussagekraft und kaum Bekanntheit“ habe, wie Geschäftsführer Hans Peter Schneider erklärt.
Statt dessen soll künftig das Stadthallen-Logo für Konferenzen und Verkaufsausstellungen werben – und das wiederum heißt „AWD-dome“ mit ins „o“ gezogenen Stadthallenstreben. Kein schlechter Präsenzgwinn für den Hannoveraner Finanzdienstleister, zumal das Ganze ins innerstädtische Verkehrsleitsystem aufgenommen wird. Für eine runde halbe Million Euro Erlös aus dem Namensverkauf (die genaue Zahl wird nicht bekannt gegeben) kann Bremen sich ja auch Mühe geben.
Allerdings: Die Speckflagge einfach so wegfallen zu lassen, wie schon den guten alten Namen „Stadthalle“, das ist unschön – und dann auch noch zu erklären, der Abschied sei „nicht schwer gefallen“. Der Eindruck erhärtet sich, dass die traditionelle Speckflagge – welch anderes Staatsvolk hat einen zugleich so sinnlichen wie liebevollen Spitznamen für sein Hoheitszeichen? – in Bremen zunehmend ins Abseits gerät. „Bremen Ports“ hat das frühere Häfenzeichen schon vor längerem eliminiert und mittlerweile verzichten selbst enzyklopädische Erfassungen auf die bloße Erwähnung des Begriffs. Das 1.016-seitige Bremen-Lexikon hüllt sich zwischen „Speckenbüttel“ und „Speckhan“ in Schweigen. Warum?
Herbert Schwarzwälder, der das Werk nicht nur herausgibt, sondern auch als lebendige Variante desselben gilt, erklärt: „‘Speckflagge‘ ist kein amtlicher Begriff, deswegen kommt er bei uns nicht vor.“ Drücken wir uns also feiner aus: „Senatsfahne“ – das ist die offizielle Bezeichnung für die acht weißen und roten Querstreifen mit zwei Würfelreihen. Aber: Auch diese Bezeichnung sucht man vergebens. Erst zwischen „Fitger“ und „Flak“ findet sich endlich ein schlichtes „Flagge, bremische“. Allerdings ohne die schöne Anmerkung, dass sie mutmaßlich zu den Vorbildern der US-amerikanischen „Stars and Stripes“ gehört.
Kann Bremen sich diese Verdrängung wirklich leisten? Offenbar. „Wir haben seit jeher zu viele Zeichen“, meint Klaus Sondergeld, als Chef der Bremer Marketing Gesellschaft oberster Außenwerber. Andere Städte müssten sich mühsam ein Logo konstruieren, Bremen aber habe außer der Speckflagge auch Roland, Schlüssel und Stadtmusikanten. Vor der letzten Konsequenz dieser vermeintlichen Notwendigkeit zur Konzentration scheut man derzeit allerdings noch zurück: Einfach alles „AWD“ zu nennen. Somit müsste man auch nicht mehr zwischen Bremen und Hannover unterscheiden, wo die Namen und Zeichen wichtiger öffentlicher Gebäude ebenfalls vom Finanzdienstleister aufgekauft werden. HB