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Spannung trotz Einigung

Der Koalitionsausschuss kann sich nicht auf eine allgemeine Vergünstigung der Strom­steuer einigen. Finanzminister Lars Klingbeil versucht, die Öffentlichkeit zu vertrösten

Nicht überall gelingt, was an diesem Frankfurter Umspannwerk zu beobachten ist: der Funken­überschlag Foto: Fo­to:­ Frank Augstein/ap

Von Hannes Koch

Bäckereien zahlen auch künftig die niedrige Stromsteuer. Autowerkstätten kommen aber nicht in den Genuss der Entlastung. Metallbauer, Tischlereien und Brauereien entrichten den reduzierten Satz, Gebäudereiniger und Malerbetriebe aber einen höheren. Mit diesen auf den ersten Blick nicht unbedingt einleuchtenden Vor- und Nachteilen müssen die Handwerksbetriebe wohl weiter leben.

Über die Ergebnisse des Koalitionsausschusses am Mittwochabend regte sich Jörg Dittrich entsprechend auf. „Bei den Betrieben gerät das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Handelns insgesamt ins Wanken“, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD hatte versucht, die Debatte über die erst angekündigte, dann abgesagte Senkung der Stromsteuer zu beruhigen – vorläufig ohne Erfolg.

Der Punkt: Wer profitiert in Zukunft von einer Verringerung der Stromsteuer um etwa 2 Cent pro Kilowattstunde – alle Privathaushalte und Unternehmen, wie Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festlegten? Oder nur die Firmen des produzierenden Gewerbes, die bisher schon diesen Vorteil haben? In diesem Fall bezahlen Bäckereien, per Definition „Produzenten“, dann weniger, Dienstleister wie Gebäudereiniger aber mehr. Diese Entscheidung des Bundeskabinetts hat der Koalitionsausschuss nun bestätigt.

Die öffentliche Diskussion läuft deshalb weiter. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann warf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) „gebrochene Wahlversprechen“ vor. Linken-Chefin Ines Schwerdtner sah „ein Konjunkturprogramm für Frust und Rechtsruck“. Selbst Dennis Radtke, Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, und CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst aus Düsseldorf übten Kritik, vor allem an SPD-Bundesfinanzminister Lars Klingbeil. Der konterte: „Wir senken die Energiepreise im ersten Schritt so, dass mehr als 600.000 produzierende Betriebe spürbar entlastet werden.“ Das sei vordringlich wegen der internationalen Konkurrenz und um „Arbeitsplätze zu sichern“.

Mehr ist laut Klingbeil im Augenblick nicht drin. Aber bald, dann würden sich die Konjunktur und Steuereinnahmen verbessern sowie finanzielle „Spielräume“ eröffnen. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder stellte eine Senkung der Stromsteuer für 2027 in Aussicht, die dann auch den Privathaushalten und Dienstleistungsfirmen zugute käme.

Einstweilen betonte der Finanzminister die Entlastungen, die jetzt schon geplant sind. Durch die Abschaffung der sogenannten Gasspeicherumlage und die Verringerung der Netzgebühren sänken die Stromkosten „für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft“ um etwa 10 Milliarden Euro jährlich. Ein Durchschnittshaushalt spare damit zum Beispiel 100 Euro im Jahr, sagte Klingbeil.

Die Debatte zeigt, wie auch kleinere Summen größere Konflikte offenlegen können. CDU, CSU und SPD suchten vergebens nach gut 5 Milliarden Euro, die die zusätzliche Senkung der Stromsteuer kosten würde – etwa ein Prozent des Bundeshaushalts. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Verschiedene Vorschläge diskutierte der Koalitionsausschuss. Kürzungen beim Bürgergeld passten der SPD nicht, auf die Verringerung der Mehrwertsteuer für Restaurants und die höhere Mütterrente wollten CDU und CSU nicht verzichten.

Grünen-Fraktionschefin Haßelmann warf Bundeskanzler Merz (CDU) „gebrochene Wahlversprechen“ vor

Zur Rente wurde deshalb dies beschlossen: Im Rahmen der Mütterrente sollen auch für vor 1992 geborene Kinder drei Jahre angerechnet werden, bisher sind es zweieinhalb. Dadurch erhöht sich vor allem für Frauen der Rentenanspruch. Die Regelung greift ab 1. Januar 2027, bislang ging man von 2028 aus. Sollten sich technische Schwierigkeiten ergeben, würde die höhere Leistung später rückwirkend ausgezahlt.

Das wird zusammen mit dem Rentenpaket, das Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) kürzlich vorlegte, Anfang August im Kabinett beschlossen. Darin enthalten ist auch die bis 2031 gültige Regelung, dass Rentner:innen, die 45 Jahre zum Durchschnittsgehalt gearbeitet haben, Renten in Höhe von 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes der aktiven Beschäftigten bekommen werden.

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